MASS & FIEBER
Expo 2000 Hannover
Freie Radio-Gruppe LIGNA (Hamburg)
Die „Dead Cowboys Radio Show“ gestaltete sich als Spin-Off der Theaterproduktion „Präriepriester“ von MASS & FIEBER (Schweiz) in Zusammenarbeit mit der freien Radio-Gruppe LIGNA (Hamburg). Auftraggeber war der Kunstverein Graz mit ihrer RE-PUBLIC-Reihe für den steirischen herbst 2000. Die Mitwirkenden traten als Mesmeric Society Tombstone in Erscheinung und gingen während eines ein-tägigen Feldkongresses — mit Vorträgen, Lesungen, musikalischen Beschwörungen und rituellen Einstimmungen — den faktisch-fiktiven Zusammenhängen von Radio, Krieg, Pionieren aller Art und der techni-schen Eroberung des Äthers nach. Der Feldkongress gipfelte in einer Abendshow, in deren Verlauf über das Rauschen der Mittelwellenfrequenz eine Kontaktaufnahme zu den Geistern des Wilden Westens versucht wurde.
Die Performance dauerte jeweils 9+ Stunden. Beispielhaft hier das Programm für Graz:
12:00
Der Kreis. Die Eröffnung. Die Hymne.
12:15
Vorträge zweier Tonbandstimmenexperten; anschl. Diskussion
13:30
Lauschübungen. Loops und Rauschexperimente
15:00
Der Kreis. Lunch. Meditation.
16:30
Ohrenreinigung. Songs über die Grenze mit Max Holz sen.
17:10
Hörspiel: The Last Frontier.
18:00
Vorträge: Syntonie. Erfahrungen mit Tonbandstimmen
19:00
Meditation.
19:15
Dead Cowboys Radio Show.
21:00
Chill Out.
Ole Frahm – Giuseppe Crosa
Michael Hüners – Jim Moreau
Torsten Michaelsen – Iwo Maurina
Dominik Beck – Bomek Deck
Jochen Dehn – Sören Björenstern
Karimah El-Giamal – Stella Dakota
Martin Gantenbein – Max Holz sen.
Fabienne Hadorn – Susi Philadelphia
Brigitte Helbling – Jeanne Brico
Niklaus Helbling – Alois Nussbaumer
Christopher Novák – Kurt Creeley
Tina Seeland – Joey Ripley
Dirk Thiele – Mac Muez
Sabine Worthmann – Frau Hoboken
Jan Schlegel – Abraham Jefferson
Suse Lichtenberger
Die Dead Cowboys Radio Show wurde gespielt an der Expo in Hannover 2000 und beim steirischen Herbst in Graz.
„Die Biber sind verschwunden. Der Wilde Westen ist tot. Die Welt ist geschrumpft.“
(Samuel Meier)
„What am I doing here? I don’t belong here.“
(Kojote Kurt)
Als 1925 der Alhambra-Saloon in Tombstone Arizona wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste, machten Arbeiter eine erstaunliche Entdeckung. Hinter der Holzvertäfelung der Wände fand sich eine flache Metallkassette mit einem Bündel gut erhaltener Papiere, die sich bei näherer Untersuchung als die nachgelassenen Schriften von Doc Holliday, des legendären Zahnarztes, Spielers und Revolverhelden herausstellten. Neben Schuldscheinen, Opiumrezepturen und einer kleinen Sammlung von Herrenwitzen hinterließ Holliday auch ein kurzes philosophisches Traktat mit dem Titel „Die Welt hinter der Welt. Vom Auffinden des Unauffindbaren.“ Er gab darin seiner Überzeugung Ausdruck, daß sich hinter der für uns sichtbaren Welt weitere Welten verbergen, deren Wesen unsere Wirklichkeit beeinflußten und infolgedessen als Verkörperungen einer höheren (und zeitloseren) Wahrheit gesehen werden könnten. „In einer Welt hinter der Welt“, schreibt Holliday, „lebt der Westen fort. Dort werden wir die reine Essenz all dessen finden, was uns im Diesseits abhanden gekommen ist.“ Holliday hatte seine letzten Jahre, in denen er zunehmend von Lungenkrankheit und Melancholieanfällen geplagt wurde, darauf verwandt, den Zugang zu dieser Welt hinter der Welt zu suchen, und es gibt Hinweise darauf, daß er ihn kurz vor seinem Tod auch gefunden hat. Leider hinterließ er keine Angaben, wo sich dieses Portal in den anderen Westen, in die wahre Prärie befindet.
Die Entdeckung von Doc Hollidays Traktat führte jedoch 1926 zur Gründung der Mesmeric Society Tombstone durch seinen Großneffen Butch Holliday. Seither findet alljährlich eine Zusammenkunft statt, bei der die Mesmeric Society Tombstone mittels Ritualen und Forschungsberichten die Suche nach Doc Hollidays legendärem Portal (zuweilen spricht er auch von einer „Schleuse“) fortsetzt. Das diesjährige Treffen wird im RE_puplic Camp abgehalten, seine Teilnehmerzahl ist wie immer auf eine Primzahl beschränkt, heuer die Zahl Dreizehn. Der kleine Kreis am Feldkongress erklärt sich durch die Abwesenheit einiger langjähriger Mitglieder, die in die laufende Produktion des Mysterienspiels PRÄRIEPRIESTER eingebunden sind.
Immer schon nutzte die Tombstone Mesmeric Society unterschiedlichste Techniken, mit den Gefährten in der Welt hinter der Welt Kontakt aufzunehmen. Seit einiger Zeit steht das Medium des Radios, bzw. der Tonbandstimmenforschung im Zentrum ihrer Bemühungen. Es ist bekannt, daß jede neue Technologie nicht nur ein kommerzielles Potential, sondern auch ihre eigene Öffnung für unerklärte Phänomene hervorbringt. Zur Fotografie gehören Erscheinungen auf unbelichteten Platten, die Telegrafie hat Morse-Klopfgeister mit sich gebracht, auf Schallplatten gibt es rückwärts abzuspielende Botschaften. Und vor allem gehören, seit den bahnbrechenden Experimenten Friedrich Jürgensens von 1959, die sogenannten Geister- oder Tonbandstimmen, die im weißen Rauschen des Radios mittels Tonband aufgenommen und abgehört werden, zum anerkannten Medium für Fragen, die die Welten hinter der Welt betreffen. Die Ergebnisse bislang waren ermutigend, wenngleich leider ergebnislos für die zentrale Frage, die die Society bewegt, die Frage nach dem Weg nach Hause. Die Geister erwiesen sich zwar als zugänglich, ja ausgelassen, ihre Angaben waren aber nicht immer aufschlussreich.
Die Tombstone Society steht in der Tradition der letzten Pioniere, der Reiter in unkartographierten Räumen, in Gebieten, „where no man has gone before“. Daran arbeiten wir, darauf hoffen wir, und dafür werden wir auch dieses Jahr über radiophone Kommunikationskanäle den Beistand der Gefährten in der Welt hinter der Welt erbitten.
ereint in dem Glauben, dass die Welt, in der wir leben, nur Schein und Trug ist, der trübe Abglanz einer Welt, die unsere wahre Heimat ist und das Zentrum all unseres Sehnens und Begehrens bildet, wird die Mesmeric Society Tombstone zum Abschluss ihres Feldkongresses auf der Expo Hannover einmal mehr die Frage der Fragen stellen, eine Frage, die sich an die Gefährten drüben, in der ursprünglichen und eigentlichen Heimat richtet, nämlich:
„Wo ist das Portal, das uns in unsere wahre Heimat zurückführen kann?“
Manche sprechen von einer Landschaft der Seele, andere von der Welt hinter der Welt, die bisweilen in der Augenblicklichkeit eines Wimpernschlags aufscheint, wieder andere zitieren die Dichter, die Bilder entworfen haben von dem, was uns als Ahnung innewohnt. Was ist der Rattenfänger von Hameln anderes als der Bote, der durch eine Öffnung zwischen den Welten passieren konnte? Und wenn E.T.A. Hoffmann in „Nussknacker und Mäusekönig“ einen Schrank beschreibt, durch dessen Rückwand man in eine phantastische Landschaft gelangt, was meint er anderes als ein solches Portal nach „Drüben“? Nicht zu vergessen, die Sage von Hamed dem Meisterdieb, der mit seinen Gefährten Mehmet und Zaide aus der arabischen Wüste nach Tombstone Arizona entrückt wird und dort den Alhambra-Saloon eröffnet – wodurch der Name Alhambra zum Synonym für eine Schleuse in einen geheimen, geschützten Raum geworden ist.
Wir, die Mitglieder der Tombstone Mesmeric Society, sind davon überzeugt, daß es diese Tore zu den Welten hinter der Welt gibt. In jenem Drüben erkennen wir unsere wahre Heimat, und unser ganzes Streben bleibt darauf hingerichtet, das Portal, die Schleuse, die Schwelle, zu finden, durch die wir dorthin gelangen können.
Wir wollen zurück. Und das regelmässige Stattfinden unseres Feldkongresses verfolgt den einzigen Zweck: Aus unserer Gemeinschaft einen Empfänger zu bilden, der in Syntonie mit den Sendern von Drüben vibriert, und einmal mehr die Frage der Fragen zu stellen, die Frage –
HYMNE DER MESMERIC SOCIETY TOMBSTONE
Vorsprecher: Hört die andern Wellen!
Gemeinde: Die Stimme
Vorsprecher: ist nicht
Gemeinde: gleich der Körper
Vorsprecher: ist nicht
Gemeinde: erdgebunden
Vorsprecher: ist Wind
Gemeinde: auf den Wellen der Radiophonie
Vorsprecher: Erhört uns ihr Stimmen!
Alle: Sattelt die Sender / Zum Ritt auf dem Rauschen / Zum Sturm in den Äther / The last Frontier
Vorsprecher: Wir sind
Gemeinde: die Tunnelgräber
Vorsprecher: Wir sind
Gemeinde: die Schattenjäger
Vorsprecher: Wir sind
Gemeinde: das Ohr der Empfänger zum All
Vorsprecher: Wir sind
Gemeinde: die Wellenträger
Vorsprecher: Wir sind
Gemeinde: die Stichwortgeber
Vorsprecher: Wir sind
Gemeinde: die Lauscher Ihr seid Überall
Vorsprecher: Erhört uns ihr Stimmen!
Alle: Sattelt die Sender / Zum Ritt auf dem Rauschen / Zum Sturm in den Äther / The last Frontier
Vorsprecher: Erhört uns Ihr Stimmen im Meer der Frequenzen!
Text: Jeanne Brico
Musik: Samuel Meier
Gone but not gone
Dead yet still lingering
In the uncharted wavelengths
of unending space
Your goodwill, your love, your silvery voices
Reach out for all those who are willing to hear
Open your hearts, adjust your transmitters
transcend the wide open – salvation is near
Deprived of the one soul
I cherished most deeply
I found peace and a lifeline
In Jürgensons Vision
Your goodwill, your love, your silvery voices
Reach out for all those who are willing to hear
Open your hearts, adjust your transmitters
transcend the wide open – salvation is near