MASS & FIEBER OST
Varieté in 17 Szenen
Theaterhaus Jena – 8. Mai 2014
Im Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes mit Theaterhaus Jena, Theaterscheune Teutleben, Staatstheater Mainz
DER SCHWARZE KOMET, Varieté in 17 Szenen auf der Bühne des Theaterhauses, ist die Nachfolgeproduktion zu BLACK FACE: DIE VILLA im Doppelpass-Programm von MASS & FIEBER OST mit Theaterhaus Jena. Der Abend setzt das Maskenthema mit der Frage nach dem Sein hinter der Maske fort. Dieselben Figuren stehen auf der Bühne, doch die Zeiten haben sich geändert. Gustav Schott, der frühere preußische Theaterpolizist, war zwischenzeitlich bei der Stasi und hat nun als Ex-Spitzel nach der Wende die Leitung des Varieté-Betriebs übernommen. Der frühere Direktor, Samuel Meyer, hat die Kassiererin erwürgt, die ihn schon in der Villa umtrieb, und ist seither verschwunden. Es heißt, Meyer widme sich den talmudischen Lehren seiner rabbinischen Vorfahren…
Erlösung ist gefragt, der Ausbruch aus dem ewigen Kreislauf des Varietés, in eine nächste Welt.
Eine neuer Exodus? Und was ist jenem Zuschauer, der im Abseits all unser Treiben beobachtet?
Was ist mit Gott?
GUSTAV SCHOTT: Christian Bayer
EVA: Antonia Labs
ALFRED: Johannes Geißer
SEMIRAMIS: Johanna Berger
SAMUEL MEYER / BLIND HERMAN: Götz van Ooyen
FATTY ARBUCKLE: Yves Wüthrich
KASSIERERIN KLARA: Saskia Taeger
Regie: Niklaus Helbling, Text: Brigitte Helbling, Musik: Johannes Geißer, Felix Huber, Michael Semper, Bühne/Video: Elke Auer, Kostüme: Veronika Bleffert, Choreografie: Maria Walser, Dramaturgie: Jonas Zipf, Artwork: Thomas Rhyner, Zauberberatung: Florian Klein, Maske: Julia Gottlöber, Licht: Steffen Prietzsch, Steffen Laute, Ton: Michael Semper, Wolfgang Wackernagel, Assistenz: Susanne Berthold, Claudia Peters, Anna-Sophia Kolkka, Produktion: Manuela Wießner.
SPIELDATEN 2014
Theaterhaus Jena: 8., 9., 10. Mai, 5., 6., 7. Juni
Ringlokschuppen Ruhr: 11., 12. Oktober 2014
Staatstheater Mainz: 18./19. Dezember 2014
SPIELDATEN 2015
Staatstheater Darmstadt: 1., 2. April 2015
Staatstheater Mainz: 9., 10. Mai 2015
Wien Werk X: 16., 17. Mai 2015
Doppelpass der Kulturstiftung des Bundes
Wunder und eine Offenbarung
Eine Hommage an das klassische, vor langer Zeit schon untergegangene Varieté möchte man das nennen, ein echtes Spektakel, aber auch für das Publikum, mit Pop und Funk und Schlager, Akrobatik, Slapstick und mit allerlei Verbeugungen nicht nur vor der ganz eigenen Kultur des klassischen Vaudeville-Theaters amerikanischer Prägung. Doch darüber hinaus ist „Der schwarze Komet“[…] noch einmal deutlich mehr. Denn bei aller Lust am hochkomischen Treiben ist dieser von Brigitte Helbling verfasste, zweite Teil des mit dem Theaterhaus Jena entwickelten Projekts „Black Face Jena“ doch auch eine Parabel auf das Theater. Und mithin naturgemäß auch auf das Leben. […] Freilich, die eigentliche Sensation des Abends sind für das Theaterpublikum die Schauspieler. die diesen wunderbaren Abend tragen.
Christoph Schütte in der FAZ Rhein-Hessen vom 20. Dezember 2014
Die Kulturschaffenden
Das muss das Geheimnis der 100 Minuten sein: Dass Poesie und Arbeitsethos so selten in den engen Zusammenhang gebracht werden, in den sie gehören.
Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau, 20. / 21. Dezember 2014
Der schwarze Komet: Die Stasi kann auch Kleinkunst
Dieses Varieté begeistert mit einem Ensemble, das offenbar enorme Lust hat, die Grenzen dessen, was das Schauspiel sonst so bietet, fantasievoll zu testen.
Stefan Benz im Darmstädter Echo
Schwarzer Komet und andere Streifsterne
Eine Show die gekonnt zwischen Theater, Zirkus und Varieté changiert und das Schöne im Schrägen, die Abweichung von der Norm, die Fantasie feiert.
DER WESTEN im Gespräch mit Ringlokschuppen-Dramaturg Matthias Frense
Uraufführung in Jena: Charmanter Chamäleonzauber
Was für ein Kuriositätenkabinett! Die Inszenierung changiert gekonnt zwischen Theater, Zirkus und Varieté und fängt in ihren intensivsten Momenten viel vom Zeitgeist ein. Nur nach einem tieferen Sinn sollte man nicht in jedem Falle suchen. Vielleicht aber findet man – in der Summe betrachtet – diesen: Verteidigung der Poesie.
Frank Quilitsch in der Thüringischen Landeszeitung
Kometeneinschlag im Jenaer Theaterhaus
Als Samuel schließlich nach seinem Wüsten-Exkurs und innerer Einkehr – wie ein Geschoss aus dem All – zurückkehrt, ist das sozusagen der Anfang vom Ende oder – vielleicht – von einem weiteren Varieté-Projekt. Man darf gespannt sein. Für den unterhaltsamen Kometeneinschlag zur Premiere in Jena werden Regieteam und die fantastischen Schauspieler stürmisch gefeiert.
Sabine Wagner in der Thüringer Allgemeinen
DER FOTOGRAF in den KOMET-Aufführungen war JOACHIM DETTE
HIER GEHT’S ZUR Aufzeichnung DER SCHWARZE KOMET von Torsten Eckold auf unserem VIMEO-KANAL
Für den Blog des Theaterhauses Jena entstanden die nachfolgenden vier Kurzbeiträge mit Hintergrund-Infos zum Stück. Veröffentlicht wurden sie als „Meyers SCHWARZER KOMET-Lexikon I-IV“
Meyers SCHWARZER KOMET-Lexikon I:
… das Ding mit den Puppen haben wir uns bei Richard Calder ausgeliehen, der sich seinerseits in seinem Sci-Fi-Roman „Tote Mädchen“ recht ungeniert bei „Bladerunner“ und „Matrix“ bedient hat. Dabei sind die Puppen adaptiert, auf unsere Zwecke hin. Schon in „Black Face: Die Villa“ gefiel uns die Vorstellung einer nächsten Art, die irgendwann das Menschengeschlecht verdrängen wird.
In der Villa Rosenthal spricht Ophelia am Teich über diese mögliche Zukunft: „Was die Puppen angeht: Ich glaube nicht, dass es irgendeinen Unterschied macht, ob Viktor sie im Garten verbrennt oder nicht. Es ist ohnehin nur der Fruchtkörper, der da in Flammen aufgeht, so wie Pilze nur der Fruchtkörper eines Organismus sind, der sich unterirdisch über Dutzende von Hektaren ausbreiten kann. Professor Haeckel nennt den Menschen die Vervollkommnung einer Welt, die sich naturgemäß immer weiter Richtung Gutes und Schönes hin bewegt, aber ich denke, er weiß selbst, dass das so nicht zutrifft. Der Mensch, überhaupt die ganze Tierwelt, ist eine Aberration. Die Zukunft gehört den Pilzgewächsen, diesen menschähnlichen Fruchtkörpern, diesen – Puppen, und dem rhizomatischen Geflecht, das sie hervorbringt.“
In „Der schwarze Komet“ sind alle Puppen eingegangen, besiegt durch einen Virus, der ihre Pilzmutter lahm gelegt hat. Einzig Eva, „die letzte ihrer Art“, hat überlebt. Das Mädchen mit dem rubinbedeckten Bauchnabel, in dem sich die Tiefenstruktur des Universums offenbart, kann natürlich einiges mehr als tanzen und singen. Gustav Schott, ihrem Chef, reichen Evas Varieté-tauglichen Fähigkeiten vorerst vollkommen. ‚Schließ die Augen und denk an Jenny Lind‘, sagt er sich vielleicht. Mit der „schwedischen Nachtigall“ machte der legendäre Varieté-Unternehmer P.T. Barnum einst Millionen…
Meyers SCHWARZER KOMET-Lexikon II:
Eine Besonderheit der früheren Varieté-Shows war die Kurzfassung von besonders angesagten Opern. (Wie so vieles, was das Macherteam von „Der schwarze Komet“ im Zuge seiner Recherchen über vergangene Unterhaltungsindustrien gelernt hat, stammt auch diese Information aus Trav S. D.s Buch über Vaudeville und Varieté, „No Applause – Just Throw Money“.) Tatsächlich traten nicht wenige Sänger aus der „richtigen“ Oper nebenbei auf Varietäten-Bühnen auf, zweifellos in erster Linie um des Geldes willen. Gut möglich, dass sie dort in solchen Kurzfassungen mitgewirkt haben, Arien, die sie abends auf der Opernbühne zum Besten gaben, nachmittags dem Varieté-Publikum vortrugen. Unsere Zehn-Minuten-Version von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ ist mithin eine Hommage an eine altbewährte Varieté-Tradition. Dem Musiker Felix Huber, der die Kürzung in Angriff nahm, war das kein Trost. Der Mann mag den „Fliegenden Holländer“. Noch vor zwei Tagen erwischten wir ihn dabei, wie er mehreren Gesangs-Zeilen nachtrauerte, die radikalen Nachkürzungen zum Opfer gefallen waren. Vergebens. Für mehr Wagner bleibt unserem „Kometen“ schlicht keine Zeit. The Show must go on!
Meyers SCHWARZER KOMET-Lexikon III:
Walter Grundmann, der ab 1939 an der Universität Jena – ohne je habilitiert zu haben – einen Lehrstuhl für „völkische Theologie“ innehielt, war maßgeblicher Mitbegründer des „Institut zur Erforschung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“. Ihre Hauptaufgabe sah die Einrichtung (mit Sitz in Eisenach) in der Herausgabe eines von allem Judäischen bereinigten Evangeliums, die 1941 auch erschien. Das Unterfangen an sich war nicht originell: Ein früher Anlauf, die Spuren des Judentums aus dem Christentum zu tilgen, unternahm bereits im 2. Jahrhundert der Theologe Marcion, der zu diesem Zweck die Existenz eines zweiten Gottes proklamierte. Der Kirchenobrigkeit ging das zu weit, im Jahr 144 wurde Marcion exkommuniziert. Das über Jahrhunderte tradierte „Toledot Jeschu“ wiederum, eine satirische Sagensammlung aus dem 8. Jahrhundert, weist Jesus Christus als illegitimen Sohn eines römischen Soldaten aus, der mit Zauberei und Wunderheilungen das Volk verführt, bis Judas ihn der Gerichtsbarkeit übergibt. (Hier waren es jüdische Erzähler aus dem italienischen Raum, die die christliche Messias-Geschichte „entjudeten“.) In „Der schwarze Komet“ wiederum behauptet Semiramis, ihr Onkel Alois aus Jena habe Grundmanns bereinigte Bibel geschrieben; Alois, selbst Jude, sei dann nach China ausgewandert. Die Geschichte ist erfunden, wir bieten sie an im Geiste des großen Dramatikers Georges Tabori („Mein Kampf“), dem der Gedanke zweifellos gefallen hätte, nur ein Jude könne die Evangelien glaubhaft „entjuden“.
Meyers SCHWARZER KOMET-Lexikon IV:
„Im Varieté entscheidet das massenhafte Publikum. Hier herrscht Demographie!“, hält Varietédirektor Samuel Meyer in „Black Face: Die Villa“ den Zensurbestrebungen des Theaterpolizisten Gustav Schott entgegen. In der Praxis bedeutete dies: Gut geklaut ist halb gewonnen: Beliebte Nummern verbreiteten sich einst in Windeseile um den halben Erdball. – Auch wir haben uns für den „Schwarzen Kometen“ bei älteren Meistern bedient, so bei Wilson, Keppel und Betty, die Mitte des letzten Jahrhunderts in britischen Music Halls mit ihren „ägyptischen Tänzen“ Furore machten. Die Kunst, die Miete kleinzurechnen, geht auf eine Nummer des erfolgreichen amerikanischen Komiker-Duos Bud Abbott und Lou Costello aus den 1940er und 50er Jahren zurück, ebenso wie der ständig unterbrochene Versuch, einen Witz über Jonas und den Wal zu erzählen. (All das findet sich bei Youtube). Und Evas Tanz als lebende Blume! Sein Vorbild ist Loie Fullers „Danse Serpentine“, den die Brüder Lumière 1896 auf Zelluloid bannten. Ohne die Kostümbildnerin Veronika Bleffert, die in langwierigen Studien ertüftelt hat, wie und aus welchen Materialien das dafür unabdingbare Wolkenkleid geschnitten sein könnte, hätten wir diesen Tanz-Auftritt in „Der schwarze Komet“ nie realisieren können.