MASS & FIEBER

Präriepriester

Eine Westernprojektion

Präriepriester

Premiere

Theaterhaus Gessnerallee Zürich – 2. Juni 2000

Koproduktion

Theaterhaus Gessnerallee Zürich, Kampnagel Hamburg, Schlachthaus Bern

Kurzbeschreibung

Jacques Rockford, Werbetexter, alleinstehend, Anfang vierzig, muss auf seine Gesundheit achten. Auf seinem Hometrainer reitet er in einen Traum vom Wilden Westen. Die Staubflocken unter seinem Bett verwandeln sich in Tumbleweed, die Geister des Alhambra Saloons nisten sich in seiner Wohnung ein. Susi, die Postbotin, und Kurt, der Pizzajunge, mischen sich ein – warum sind die auch da? In dieser Nacht werden alle Westernträume wahr, und dann auch einige, die man sich nie hätte träumen lassen. Die Geister spielen dazu Musik, dokumentieren mit Kameras das Geschehen und erstatten in der Lokalzeitung Bericht. Jacques ist in Tombstone, der legendären Revolverheldenstadt, gelandet, und sein Werdegang vom Sheriff zum Priester wird allen zeigen, was für ein Kerl wirklich in ihm steckt.

If you’re planning revenge
Dig two graves
Throw a rock in the water
And you’ll get splashed by the waves
You will perish from the evil
That the hatred in you craves
If you’re planning revenge
Dig two graves.

Nach „Bambifikation“ präsentieren MASS & FIEBER ihren zweiten Abend für Leute, die schon zuviel im Theater waren und die, die ohnehin nie hingehen. Diesmal mit Live-Video und Originalsongs. Sterbende Menschen! Sprechende Tote! Blood and Pizza!

Cast & Crew

Roeland Wiesnekker (Jacques Rockford – Sheriff, später Priester)
Fabienne Hadorn (Susi Philadelphia – Mädchen, und ihr Bruder)
Christopher Novák (Kojote Kurt – Babyface, Revolverheld)
Markus Schönholzer (Samuel Meier – Melancholischer Falschspieler – Banjo, Gitarre)
Denis Aebli (Max Holz – Wirt – Schlagzeug)
Sabine Worthmann (Madame Hu – Bordellchefin, Analytikerin – Bass)
Tina Seeland (Joey das Auge – Video-Chronist)

TEXT Brigitte Helbling, Niklaus Helbling MUSIK Martin Gantenbein, Markus Schönholzer, Sabine Worthmann REGIE Niklaus Helbling MUSIKALISCHE LEITUNG Martin Gantenbein, Markus Schönholzer BÜHNENBILD UND KOSTÜME Dirk Thiele CHOREOGRAPHIE Salome Schneebeli VIDEO Dominik Beck LICHT Annette ter Meulen, Björn Salzer ASSISTENZ Karimah El-Giamal, Sarah Giancane HOSPITANZ Anna Schmidt GRAFIK Markus Haupt PHOTOS Katja Thiele PRODUKTION Patricia Thurow Katharina Vischer

Spieldaten

Theaterhaus Gessnerallee Zürich
2., 3., 7., 8., 9., 13., 14., 15., 17. Juni 2000 um 20.00 Uhr
4. Juni 2000 um 15 Uhr
16. Juni 2000 um 20.00 Uhr (geschlossene Vorstellung)

LOT-Theater Braunschweig
5., 6. Juli 2000 um 21.00 Uhr
(Expo 2000, Theaterformen Hannover)

AAK im E-Werk Freiburg
21., 22. Juli 2000 um 20.30 Uhr
(22. Internationales Freiburger Theaterfestival)

Theater Roxy Birsfelden
13., 14., 15., 16. September 2000 um 20.30 Uhr

Schlachthaus Bern
12., 13., 14., 18., 19., 20., 21. Oktober 2000 um 20.30 Uhr

Kampnagel Hamburg: [k2]
25., 27., 28., 29. Oktober 2000 um 19.30 Uhr
1., 2., 3., 4. November 2000 um 19.30 Uhr
30. November 2000 um 20.00 Uhr
1., 2., 3., 7., 8., 9., 10. Dezember 2000 um 20.00 Uhr

Pressestimmen

„Unsere Welt ist zu klein. Wenn man die Prärie sehen will, muss man sich auf den Teppich legen.“
Züritipp, 2.6.2000

IM WESTEN VIEL NEUES
Zum Jungfernritt gen Westen geladen hat am Freitagabend die Truppe Mass & Fieber. Das Publikum kam in Scharen ins Theaterhaus Gessnerallee nach Zürich zur Uraufführung von „Präriepriester. Eine Westernprojektion“, um zu sehen, was (…) Niklaus Helbling (Regie) und Martin Gantenbein und Markus Schönholzer (musikalische Leitung) in die Prärie gestopft haben. Was es sah: eine Western-Posse mit partiellem Tiefsinn. Witzig erzählt und schräg inszeniert, hervorragend gespielt und eindrücklich gesungen… Mass & Fieber haben sich damit endgültig in der obersten Liga der freien Szene etabliert.
Marco Guet, SonntagsZeitung, 4.6.2000

AUF DEM HOMETRAINER IN DEN WILDEN WESTEN
Was in der Gessnerallee gezeigt wird, ist eine präzis kalkulierte Mischung aus Trashkultur, Metatheater und einer Prise Selbstironie. Das Resultat ist witzig und trendy. Dass der kultverdächtige Abend funktioniert, verdankt sich wesentlich der schauspielerischen Leistung der beiden Zugpferde Roeland Wiesnekker und Fabienne Hadorn. Wo sie vor Energie sprüht und sich mühelos von der Revolverlady zur Anstaltsinsassin zappt, setzt seine phlegmatische Bühnenpräsenz einen komischen Kontrapunkt.
Anja Lauper, Tages Anzeiger, 5.6.2000

KÖSTLICHE POSTKARTEN AUS DEM ZAHMEN WESTEN
Die durchwegs überzeugenden Darstellerinnen und Darsteller der freien Theatertruppe „Mass & Fieber“ bildern auf der Bühne den Wilden Westen nochmals auf, und indem sie zeigen, dass der Wilde Westen immer bloss die Postkarte ist, die wir von ihm besitzen, wird er zum Zahmen Westen: zu einer vermeintlichen Wildnis, in der sich spiessbürgerliche Moral, Alkoholismus, sexuelle Frustration, Hunger nach Lebensdramatik und -erfüllung und Fesselung an biedermeierliche Moralvorstellungen deutlicher manifestieren als im vermeintlich zivilisierten Europa, welches diese Bilder erst gebar…. Überzeugend ist auch die Musik: Die vielen Songs gehen auf die dargestellten Inhalte ein, greifen musikalisch auf die Tradition des Bluegrass zurück und wenden diese, von verzwickten Texten beflügelt, in eine ganz unverwechselbare Musiksprache… Ein Märchen gleichzeitig zu entlarven und zu nähren – das ist schon eine Glanzleistung. Das Publikum wusste sie zu schätzen.
David Wohnlich, Basler Zeitung, 5.6.2000

EINE WESTERNPROJEKTION
Wesentlich ist nicht der Handlungsverlauf, sondern das Spiel mit Assoziationen – nicht nur zu gängigen Westernklischees, die mit Schiessereien, Faustkämpfen und herzbewegend gesungenen Countryschnulzen genüsslich zelebriert und mit winzigen Spielzeug-Cowboys auf einer grossflächigen Video-Leinwand illustriert werden, sondern auch zu aktuellen Fragen wie Fitnesstraining, Alkoholkonsum, Waffenbesitz, Selbstjustiz und der traurigen Tatsache, dass sich heutige Menschen nur noch in bereits vorgeformten Zitaten aus Literatur, Film und anderen Medien zu bewegen wissen.
saz, Der Bund, 5.6.2000

Es ist möglich, dass ich zahllose darstellerische Feinheiten gar nicht wahrnehmen konnte, weil Western nicht zu meiner Individuation beitrugen und ich also im falschen Club saß. In den alles entscheidenden Jahren war ich ausschließlich Zorro, begabt mit unendlicher Verachtung für den Saloon, den mein Todfeind, meine Zwillingsschwester, besetzt hielt. Wir Zorros warten nun auf Helblings Mantel-und-Degen-Projekt, in dem die Cowboys und-girls nichts zu suchen haben werden.
Luzerner Zeitung, 5. Juni 2000;Günther Fässler.

Mit ihrem Programm „Präriepriester – eine Westernprojektion“ erfüllt die Theatertruppe Mass & Fieber die Erwartungen, die sie mit „Bambifikation“ geweckt hatte. Der „Western“ bebt… Die fast zweistündige Vorstellung kommt nach der Pause richtig in Fahrt. War vor der Pause schon viel los, wird die Handlung nun vollends irrwitzig: Madame Hu ist plötzlich die Analytikerin des Helden Rockford, der von seiner Kindheit und seiner Passion für Revolvercomics erzählt. … Jetzt schlägt auch die Stunde von Susi Philadelphia. In ihrer Rache-Engel-Mission schleicht sie sich im Saloon ein und singt und tanzt und fuchtelt mit ihrer Riesenknarre. Die Genres beginnen sich zu vermischen. Arabische Nächte kontrastieren mit blutsaugerischen Anwandlungen der Akteure. Der Reverend Rockford erweckt Tote zum Leben. Koyote Kurt wird operiert – das meinten die Programmmacher mit „Blood and Pizza“, ein Höhepunkt… Am Ende sitzen sie da, wo sie von Anfang an hingehörten: in der Klapsmühle. Joey ist jetzt Pflegerin. Einige Stimmen nach der Premiere fanden das zuviel des Guten, aber Tina Seeland hat ihren Beruf verfehlt, so überzeugend wirkt sie auch da.“
P.S. 8. Juni 2000; Ewald Matthys

Zürich gibt sich gerne weltstädtisch… Dass sich die Stadt aber nicht nur zum Zürichsee öffnet, sondern zur Welt, ist auch das Verdienst einer Off-Szene, die jenseits von Tonhalle, Kunst- und Schauspielhaus fortwährend frische Blüten treibt. Und zuweilen Orchideen hervorbringt wie Mass & Fieber, deren zweites Freiburg-Gastspiel nun bevorsteht … Regisseur Niklaus Helbling gilt als konzeptioneller Kopf des Ensembles. … Weil man Mass & Fieber aber ruhigen Gewissens auch als eigenwillige Musical Company bezeichnen könnte, sind Martin Gantenbein und Markus Schönholzer nicht minder wichtig. Als Musiker, als Arrangeure und Songtüftler sind sie der Zürcher Szene einschlägig bekannt.
Badische Zeitung, 20. Juli 2000;Stephan Reuter.

Ein Herzinfarkt, ein Sturz aus der Dusche, und schon liegt der 42-jährige Werbetexter Jacques Rockford nackt und nass auf dem Boden. Und betrachtet die Welt aus der Teppichperspektive, die ansonsten Kinder vorbehalten ist… Mit den Mitteln des Erzähltheaters, mit Musik und Live-Video (Dominik Beck) wird der Wilde Westen beziehungsweise die Bilder, die wir uns von diesem machen, spielerisch aufs Korn genommen und gründlich hinterfragt. Das endgültige Aus also für all die guten alten Mythen von unerschrockenen Cowboys, staubigen Kakteen und einsamen Farmhäusern? Nicht nur, denn die Präriepriester von „Mass & Fieber“ demontieren die vertrauten Bilder nicht nur, sondern spintisieren sie auch weiter und lassen Raum, um ein wenig darin zu schwelgen.
Der Bund, 12. Oktober 2000, Simone Müller.

Rauchzwang herrscht im Saloon von Tombstone, Arizona. „Es wird keine Helden mehr geben nach den Rauchern“, sagt einer. Auf der Videowand gehen dazu die Sterne aus der Prärienacht von Marlboro auf. Hier ist der Wilde Westen tatsächlich das, was er schon immer war – ein Mythos, eine Obsession, eine „Westernprojektion“ wie das Stück „Präriepriester“ im Untertitel heißt. Und so geht die Zürcher Theatergruppe Mass & Fieber unter Niklaus Helblings Regie auch damit um: Sie bringt den Wilden Westen als Phantasma des Zivilisierten Westens auf der Bühne… Wie hier Medien und Genres durcheinander kommen, ist eine große Freude dieser zwei Stunden. … auch wenn es keine Indianer hat in Tombstone, Arizona: Es ist gut hier.
Der Bund, 14. Oktober 2000, ddf.

Doch beim dritten Absprung ruscht er aus und fällt gar fürchterlich auf die Nase. Helbling nämlich wirft Joschka Fischer zwischen den Zeilen vor, er habe im Kosovo nur den Cowboy spielen wollen. Und dieser Vorwurf ist womöglich genauso dämlich, wie Kriege nur deshalb zu führen, weil man gerne Cowboy spielen will.
Die Welt Hamburg, 27. Oktober 2000; Stefan Grund.

Ihren eigentlichen Pep verdankt die Show allerdings dem Dutzend Songs sowie der ins Spiel integrierten Band – und vor allem Susi Philadelphia. Von der frustrierten Postbotin mausert sich die rotblonde Fabienne Hadorn mühelos zum unbedarften Farmergirl und zur scharfen und scharf schießenden Rächerin ihres toten Bruders. Sie schnulzt die Countrysongs im typischen Nashville-Sound genauso gut wie Markus Schönholzer an Banjo und Gitarre. Mass & Fieber ist eine genial kuriose Melange aus Musikern und Theatermachern, von der noch einiges zu hoffen und zu erwarten ist – auch wenn die Gruppe diesmal ihrer Fantasie zu sehr die Zügel schießen ließ.
Hamburger Abendblatt, 27. Oktober 2000, Klaus Witzelin

Impressionen

Das unglaubliche und phantastische Tagebuch zur „Präriepriester“-Produktion, verfasst vom legendären Westernheld Joey das Auge

Juli/August 1999
call me joey

Haha. Ich lach mich tot. Joey! Joey das Auge. Die unwürdigste Laus im Wilden Westen hat sich den Protokollanten-Dschop gekapert! Joey höchstpersönlich wird euch verklickern, was den PräriePriester antreibt. Wo wir herkommen. Wo wir hingehen. Und wo wir in der Zwischenzeit versackt sind. Joey das Auge macht den Schriftführer für die ganze Kompagnie. Was für ein Coup! Ihr könnt mir gratulieren, Leute. Ihr könnt mir die Füsse küssen. Ihr könnt mir den Stetson nachtragen und mir die Orden mit der Post zukommen lassen. Ab jetzt bin ich nämlich unterwegs, Mann. Ab jetzt hält mich nichts mehr zurück. Seht ihr den kleinen Punkt am Horizont? Das bin ich! And over.

Mont Soleil
30/31. Juli 1999
Westward Ho

Typisch. Da bricht die Kompagnie in den Wilden Westen auf, und wo landet sie? grade mal paar Kilometer westlich von da, wo die meisten eh schon die ganze Zeit rumhängen. Pferde gibt’s hier zwar, und auch ein paar dämliche Kühe, und Weiden in Massen, aber die Cowboys, Kinder, die könnt ihr lange suchen. Irgendwie sind wir hier in soner Art Aussteiger-Kellner-Enklave gelandet, und Joey würde keinen von ihnen auf einem Pferd sehen wollen. Nicht bei dem ganzen Landeron, den die in sich reinschütten. Max Holz ist natürlich begeistert. Klar. Das ist ein Betrieb nach seinem Wirte-Herzen. Ein Nirvana für jeden Saloonhirten. Keine zwei Abende dauert das, und unser Max steht selbst an der Zapfsäule. Freibier für alle, denkt ihr nun vielleicht. Ne ne. Nicht mit Max. Nicht mit Les-bons-comptes-font-les-bons-amis-Max! Rechnen kann der Max, das wissen alle in Tombstone, die ganze Stadt ist im Arsch, aber Max vom Saloon Alhambra macht aus der Höllenfahrt noch Gewinn. So steht die Sache, und Joey findet das ganz prima so. Ehrenwort. Großes PräriePriester-Ehrenwort. Cross my heart and – Jetzt mal einen aufs Haus, Max. Ja? Ja? Och Maaaaaaann – Dan-ke!

Mont Soleil
August 1999
Susi Creamcheese singt ein Lied

Susi kennt ihr schon. Klar kennt ihr die, schaltet mal einfach auf die Bambi-Fotos, die unser Bite-Controller drüben links eingegeben hat, bei dem Kästchen, wo „Bambifikation“ draufsteht. Das ist Susi. Klar? Da hieß sie noch Bambi, jetzt heißt sie Susi. Offenbleiben, Leute! sowas geht manchmal ganz schnell.
Also Susi ist natürlich auch dabei im Wilden Jura-Westen, im Wirte-Nirvana, auf der Insel der seeligen Kellner. Da hat sie sich gleich mit dem KingKong der Insel verbrüdert, mit dem ehrenwerten Steff, der ist ein Rotschopf wie sie, und sowas reicht ja manchmal schon. An einem Abend hat Steff für sie sogar ein Lied gesungen, gut, nicht nur für sie, das Lied war für alle, die noch wach waren nachts um zwei auf der Terrasse am Berg. Und eigentlich war es kein Lied, sondern eher sowas wie eine Predigt oder eine Liturgie oder wie man dem sagt. Ein Bergsegen eben. Der Herr Steff hat die Kühe gesegnet und die Höfe und die verlorenen Cowboys und sogar die bösen Sheriffs, die den Alpenfreaks das Leben schwer machen, alle hat er gesegnet wie ein heidnischer Priester in Weißweinextase, das hättet ihr mal sehen sollen. Das war echte Magie, Kinder. „Friede sei über diesen Bergen und den Wiesen und den Tälern -“ Joey ist einfach mal kurz das Herz stehen geblieben dabei, aber die Susi, die kann sowas auch. Zwei Abende später, da war Steff the Chef schon wieder weggefahren, da hat sie nämlich für uns was gesungen.

Liste: Visuals
Desperado; Il Grande Silenzio; Verdammt zu leben, verdammt zu sterben; Keoma – the violent breed; Eine Pistole für Ringo
Vengeance; Django; Djangos Rückkehr

Mont Soleil
immer noch Anfang August 1999
Abendmahl

Jetzt erst mal ein bißchen ausholen. Nicht, daß der Eindruck entsteht, die Kompagnie würde bei ihrem Ausflug in den Wilden Westen dauernd nur unter Gezapftem stehen. Denkste! Hart gearbeitet wird hier, gerungen um den PräriePriester in seinen sämtlichen Verästelungen, und gnadenlos das Material gesichtet, Einstellung für Einstellung durch die ItaloWesternLandschaft. „Chi avete qua dentro? ­ Si chiama Django. ­ Rattattattattatt!“

Geiler Typ, der Django. Jedenfalls. An dem Abend, als Susi für uns gesungen hat, war auf der Alp eine extreme Ruhe eingekehrt, kein Mensch mehr wach, nicht mal die Hunde, nur wir sitzen noch um den Tisch, Susi und Poncho, der Frito Bandito und seine Francabella, Max mit Sally Texaco im Arm, der Doc, die Queen, und eure Wenigkeit, Joey der Schweigsame. Ha! Sitzen wir also um den Tisch, und für die Jesusrunde fehlen uns zwar noch drei Stück, aber wir haben original einen auf Abendmahl gemacht, wie wir da so gruppiert waren, und in der Mitte Susi mit ihren roten Haaren sitzt irgendwie direkt im Licht. Neben ihr Max und Sally auf der einen, und der Doc auf der andern Seite sitzen son bißchen abgerückt, als würden sie auf ein Wunder warten oder die Offenbarung oder so. Na ja, Und dann hat Susi eben angefangen zu singen, und die Susi kann das, Leute, das war nicht, wie wenn man die Anlage anstellt oder in der Dusche trällert. Das war mehr, wie wenn wir kurz die Ebenen geswitcht hätten und mal eben auf dem Planet der toten Popstars gelandet wären. Ich hör euch schon New Age Scheiße denken, aber da sag ich nur, fuck you, so war’s halt. „Close your eyes“, hat Susi gesungen, „give me your hand -“ Gänsehaut pur, Mann. Kann man nicht anders sagen, und ich sag auch gar nichts mehr dazu. Over!

Liste: Sounds
Michael Hurley: Letter in Neo; Michael Hurley: The Werwolf; Hank Williams: The Complete Collection; Ween: Buenas Tardes, Amigo; Gene Autry: I’m back in the saddle again; Tex Ritter: Sam Hall; Willie Nelson: On the Road again; Johnny Cash: Don’t Take Your Guns to Town

Bad Tex Mex Country
of the Soul 1999
Besos muchos del frito bandito

Hombre, que mierda. Dieser Joey erzählt eine Scheisse. Hier gehts um trabajo, amigos. Um die Arbeit. Gott und el diablo und el teatro del Western. Comprendes? Nix Planeten und Kühe und lalala. Showtime! Premiere en Mayo del año 2000! Verdad? Aber sicher. Mío tío in Paris, er arbeitet schon an Kostüme. Nadelstreifen. Todos en Nadelstreifen. Es un artísta, mein Onkel. Nicht wie dieser fucking habladora Joey! Franca – dónde estás, Francabella? Vienes acquí? Ahh Franca – ti beso mucho, Francabella –

Zürich, Idaplatz
August 1999
Teletubbies und Marsianer am Idaplatz

Danke, Frito Bandito, für diesen wertvollen Beitrag. Wir sprechen uns noch, Hombre.
Kurzer Bericht vom Idaplatzfest, Spätschicht für Samuel Meier am Grill, Max Holz hat die Finger im Salat, Bläserkapelle auf der Lastwagenbühne spielt „Let the Sunshine in“, und das nachts kurz nach halb zwei. Irgendwo hängen Doc & Queen rum, und der Wurststand wird grade von Marsianern überfallen. Haare braun & blond, nicht grün, Haut ebenfalls ziemlich pinkisch, aber definitiv Marsianer. Brutzeln stratosphärenentfernt auf einem andern Planeten. Fernsehempfehlung für heimwehkranke Aliens: Teletubbies total. Bei dem sternchensprühenden Windrad und dem autoritären Duschkopf, die ab und zu aus der Blümchenwiese rauswachsen, fühlen sich die Gäste aus dem All garantiert wie zu Hause. Vergeßt „South Park“. Teletubbies ist die wahre Perversion britischer Produzentenhirne, wo immer die auch brutzeln mögen. Heute abend macht der Idaplatz das Gegenprogramm zum Theaterspektakel Zürich mit seinen traurigen Clowns und seinen gesitteten Gourmetpalästen. Marsianer wurden da in vier Tagen Bambifikations-Gastspiel keine gesichtet. Offenbar wohnen sie hier am Idaplatz und bewegen sich nie aus ihrem natürlichen Biotop. Wäre passend, wenn sich Koyote Kurt unter ihnen einfinden würde. Der hält aber sich weiterhin multo bedeckt.

Foltert mich, droht mir hundertfach mit dem Tode! Ich sage nicht, was Max Holz mit dem Salat gemacht hat.

Jesse James SpielkarteZürich / Berlin
September 1999
Jacques (minus Erzengel?)

Grade ist Jacques zur Kompagnie gestoßen. Willkommen, Jacques! Schlag ein, Kollege! Und laß bloß den Erzengel zu Hause. Höhöhö.

Basel/Zürich
24./25. September 1999
Joey besichtigt die Konkurrenz

Die Konkurrenz, ce sont les autres. (Joey wem-sagst-du-Zwerg Sartre). Ich bestieg also meinen treuen Gaul, ritt Stunde um Stunde durch die brennende Steppe und erreichte das Bazeler Schauspielhautz kurz vor halb acht, wo mir Susi die Herrliche ein billet doux an der Kasse hinterlassen hatte, mit dem ich eilenden Schritts zu meinem Platze, ähm, schritt und Susi auf der Bühne bestaunte, ein Schmaus für die Augen, aber nicht für die Ohren, denn singen durfte sie nicht. Das durften nur: David Bowie. Jim Morrison. Mmm, Cat Stevens? Egal. Denkt euch die Six/Seventies, sie waren da. Hinten lief ein Film, in dem Akteure behende mit Billiardstöcken um sich stießen, und wer hat das Spiel gewonnen? Wahrscheinlich der schlitzäugige Student, der kuckte so ernst. Der Regisseur vielleicht, aber den sah man nur beim Applaus, da hat er getorkelt, der arme Dschung, hinter der Bühne zuviele Limos gekippt. Aaah, Joey gings nicht schlecht danach. Joey war ganz guter Dinge. Unterhielt sich mit Bible Brother Blue über Garth Brooks, den alle hassen, nur Joey behält ein offenes Gemüt und ein weiches Herz für die Trucker, die Stadien mit Millionen von trunkenen Rednecks füllen können.

Joey besichtigt die Konkurrenz (Teil II)

Haben also, man kann es nicht anders sagen, der Doc und Sally Texaco ihre diversen nicht unerheblichen Kräfte zusammengespannt und aus Lenz (nicht der Frühling) plus sieben Schauspielschülerwahnsinnskids lebende Bilder moduliert, daß Joey beinah die Augen ausgefallen sind dabei, soviel gabs zu kucken. Und das Ganze lief unter dem Titel: Helblinx Schildkröten-Popsofa. Ne, so hieß es nicht. Aber war ja auch nicht Konkurrenz, oder? War nur die Kompagnie in Teilen mal kurz unter fremder Flagge eingeschifft, Max Holz übrigens auch an Bord, und die Queen mit sämtlichen kleinen Queens angereist hat Daumenhoch gemacht zum tosenden Applaus. Für euch zum Mitschreiben: Samuel Meier war da. Frito the bloody Bandito mit seiner Francabella war da. Susi und Poncho waren da. Joey war da. Joey war da. Joey war da. Trance, Leute. Abgehoben auf Sturm und Drang und bis morgens um sechs nicht mehr runtergekommen. Schwerer, schwerer, knochenschwerer Ritt nach Hause. Aber hey! Nobody said it would be easy – OVER.

Hamburg Flashback to
Katakomben ZH Januar 1999
This one is for you, Sally

Sally Texaco
Writes a letter
In tiefer Nacht
Springen die Sätze
Und schwingen sich hoch
und schweben
im Raum

Sally Texaco
puts on her dress
blutrote Seide
Schlitze im
Ärmel
Why do I do it?
Hell, darling – because I can!

Sally Texaco
Is just a dancer
With no sense of gravity
Paradiesvögel
kennen
keinen
Käfig

Telegraphenstation Tombstone
Anfang Oktober 1999

+++++ 1/10/99 Doc an Joey +++ danke kleiner + stop + cool it mit der lyrik + stop + zuviele risiken und nebenwirkungen + stop + bericht geht vor + stop + +++ gruss doc +++++

Hamburg, Bambi im Fundbureau
5.-10. Oktober 1999
Tag Drei
Joey kommt (wieder) zur Sache

Ähem … ja. Grad sitzt die ganze Kompagnie beim Doc und der Queen in der Wohnung, und Madame Hu ist zum Frühstück gekommen. Spricht ja eigentlich nur ausländisch, die Madame. Zabretzki Paretzki tsching tschang tschau, versteht kein Mensch, aber zwischendurch lacht die Lady, daß die Wände wackeln, und versorgt dann die ganze Mannschaft mit Pillen. Joey wird gleich eine einnehmen. Achtung Leute: Jetzt kommt der on-line-Erfahrungsbericht. Ins Wasser mit den Dingern … auf Ex ausgetrunken … und … mmm … Zitrone??? Joey sieht … Steppen … Weizenfelder … finstere Reiter auf schnittigen Rossen … olalala … ist das die Wolga die vor mir wolgat? Ach Russland, Mütterchen Russland, wie lange wird dein Leiden noch währen … gäbe es einen Gott, er weinte Ströme und Fluten über dein Elend … er schickte einen Khan! Einen Dschingis Khan! Einen Kahn, um diese Wellen zu durchqueren! Ai-ai-ai-ai-ai – AUA!

He Kinder. Das war MEIN Schienbein. Okay … OKAY! Ich hör ja schon auf.

(Joey kommt jetzt wirklich zur Sache)

Bambifikations-Gastspiel im Fundbureau Hamburg, und die Prärie-Kompagnie rottet sich zusammen. Das arbeitet grade an allen Ecken und Enden, Madame Hu kommt wirklich zum Frühstück und zieht sich dann mit Samuel Meier und Max Holz ins Separée zurück, Musikerkram bekramen, und manchmal lacht sie, daß die Wände wackeln, das ist nämlich tatsächlich so. Und Tabletten hat sie auch mitgebracht, aber egal, und wenn ihr sie auf der Straße sehen solltet, erkennt ihr die Madame sofort an ihrem Haarzipfelchen, das oben an der Stirn absteht. Absolut unverwechselbar! Dem Joey hat sie im Vertrauen verraten, daß sie es jeden Tag wässert, und bis zur Premiere ist dann ein Irokesen-Springbrunnen draus geworden. Geil, wa?

Dann kommt gegen Mittag der Frito Bandito mit einer ganzen Tüte voller Puppenmöbel für sein Bühnenbildmodell, und dann baut er alles auf und reißt mit dem Doc zusammen alles wieder auseinander und jetzt ist das Ganze ganz anders. Joey verrät aber nicht wie! Denkste! Nicht umsonst nennet man Ihn den Schweigsamen!

Und Schlag auf Schlag kommt auch noch der Techno-Beck mit dem Kopf voller Video-Wahnsinn aber im Herzen ein … Kick-Tipp-Männchen? Drei Meter hoch will er es haben, und aus Styropor soll es sein, und mit dem PräriePriester hat das alles grade gar nichts zu tun. Aber wer weiß. Wer weiß wer weiß wer weiß. Only the Shadow weiß. Hm. Na ja. Jedenfalls ist das mit den Videos ein weites Feld. Mehr zum Techno-Beck später.

Hamburg, Bambi im Fundbureau
Tag vier

Großer Freudentanz im Priesterlager! La città di Zurigo macht Produktionsgelder locker! Theater Gessnerallee zu allen Schandtaten bereit! Expo Hannover will sich einheiraten! Kampnagel Hamburg stellt die Gretchenfrage: Wie hält’s die Kompagnie denn mit der Kunst? (Darauf der Doc: „Will niemand sein Gefühl und seinen Anspruch rauben.“ Und Kampnagel wiederum: „Allein uns dünkt, man muss auch daran glauben!“ Der Doc dazu: „Okay, okay.“ Diabolisches Kichern entschlüpfet seinem Schlund. Und ab.) Im Ernst jetzt, Leute: Absolut rechtfertigt die Hemmungslosigkeit vergreister Cowboyseelen solch bedenklerisches Zweifeln. Aber feiern könnense. Unn daschu hamwer auch gradalln Grund!!! Nur … WO bleibt eigentlich Koyote Kurt?

Cole Younger SpielkarteHamburg, Bambi im Fundbureau
Tag fünf
Joey begegnet seinem Doppelgänger

Das Wetter war grauenvoll, eine jener feuchten, abweisenden Herbstnächte, die alle Gaben des Hamburger Nieselwetters, wie Rheumatismus, Schnupfen, Influenza und alle möglichen sonstigen Erkältungen und Entzündungen mit sich brachten und in sich trugen. Der Wind heulte durch die menschenleeren Straßen und über die Kanäle, rüttelte eilig an den spärlichen Laternen, die auf sein Pfeifen mit leisem Kreischen und Knarren antworteten, was dann alles zusammen wie eine weinerlich schrille, fernher schwirrende Musik klang, die jedem Hamburger so gut bekannt ist. Joey eilte zitternd über den Kiez … er war so verwirrt, daß er mehrmals jäh stehenblieb, von nichts anderm erfüllt, als von dem Gedanken an diesen unfaßbaren Menschen, der ihn im Fundbureau im Vorübergehen angerempelt hatte … „Was ist das mit mir“, dachte er ärgerlich, „bin ich denn etwa rein von Sinnen oder … oder ganz verrückt?“ Und er ging wieder seines Weges, beschleunigte aber immer mehr den Schritt und bemühte sich, an gar nichts zu denken. – Ja, er schloß sogar die Augen, um an nichts zu denken. Plötzlich vernahm er schnelle Schritte in der Nähe. Er fuhr zusammen und öffnete die Augen. Vor der Tür der Kometen-Bar stand der Unbekannte wieder, lächelte ein wenig, blinzelte ihm zu und nickte freundschaftlich mit dem Kopfe. Joey wollte schreien, konnte aber nicht – wollte irgendwie protestieren, doch die Kräfte reichten nicht. Die Haare standen ihm zu Berge, er stand wie vom Donner gerührt, und dazu hatte er freilich Ursache. Joey erkannte sofort den nächtlichen Fremden aus dem Theatersaal wieder. – Sein nächtlicher Freund aber war niemand anders als er selbst – ja: Joey selbst, ein anderer Joey und doch Joey selbst – mit einem Wort und in jeder Beziehung war er das, was man einen Doppelgänger nennt.

(Bis auf die Haarfarbe. Eisblond war Joey nie.)

November/Dezember 1999

Liste Visuals:
Naked Lunch; A Bullet for the General; El Mariachi; The Long Riders; Wild Bunch; One-Eyed Jacks; Pale Rider; The Shootist; Spiel mir das Lied vom Tod; Pat Garret and Billy the Kid; Das weite Land; Wenn Frauen hassen

Hamburg/Ruhrgebiet/New York
Im traurigen Monat November, Kids
Gesammelt, gesichtet, und eingesteckt

Einer küßt vor dem Shootout seine Wumme und stirbt dann doch.
John Wayne schüttet sich mit Laudanum zu und unternimmt eine Spazierfahrt im Zweispänner.
Zwei Schreibmaschinen treffen sich zum Showdown.
Der mit dem Gitarrenkoffer tanzt.
Der nicht mit Cardinale schläft. Oder doch?
Marlon Brando verwechselt Western mit Endstation Sehnsucht. Macht nix!
Joan Crawford sagt, Das ist mein Haus, meine Sache, und mein Klavier, später zieht sie sich schon wieder um.
Gregory Peck kriegt die Schullehrerin, Gottseidank.

In der Zwischenzeit … überfällt Joey das Auge die Öffentlichen Bücherhallen und schleppt die Beute zu Doc, bespricht sich nebenbei in kirchlichen Belangen detaillös mit Modelbaumeistern, organisiert TexMex-JunkFood-Verpackung, studiert den Bingo-Nahkampf im Bongobongo-Heim.

Während … die Hamburgische Kulturstiftung einen Produktionsbeitrag bewilligt, Kampnagel Hamburg an Bord klettert und die Kompagnie im Bambifikations-Modell als Gast des Impulse Off-Theater-Festivals durch das Ruhrgebiet reist. Um dann wieder nach Hause zu tuckern, mit dem Festival-Hauptpreis und dem Publikumspreis Mülheim im Gepäck. Coup royal, Kollegen!

Derweil … Sally Texaco sich in Frank Zappa verwandelt, der sich in einen Hund verwandelt, und nach New York fährt. New York ist hingerissen. Max Holz gelingt es mit Mühe, einen Fluchtwagen zu organisieren, mit dem Texaco der entfesselten Menge entkommt und gerade noch rechtzeitig zum Rückflug im Kennedy Airport eintrifft.

Und gleichzeitig … sammelt der Techno-Beck auf Flohmärkten Plastik-Pistolen ein. Tanzt auf Oktopads. Versichert dabei, geheimnisvoll unverdrossen: Kann man alles machen …

Dabei still versunken … liest die Queen ein Buch. „Diese Phase der imaginären Amerikanisierung meiner Person, während der ich streckenweise zu Pferd, streckenweise in einem dunkelbraunen Oldsmobile die Vereinigten Staaten in allen Himmelsrichtungen durchquerte, erreichte ihren Höhepunkt zwischen meinem sechzehnten und siebzehnten Lebensjahr, als ich die Geistes- und Körperhaltung eines Hemingway-Helden in und an mir auszubilden versuchte, ein Simulationsprojekt, das aus verschiedenen Gründen, die man sich denken kann, von vornherein zum Scheitern verurteilt war.“ Die Queen ist hingerissen. Dann bucht sie einen Flug nach Atlanta.

Und unversehens … erscheint Koyote Kurt im ehemaligen Metzgerladen Saal 2. Eine Hand im Gips, die andere wärmt ein Brandyglas, keine frei für die Knarre, die auch gar nicht benötigt wird. Im Saal II gibt’s keine Metzger mehr, und die Schlächter bleiben zu Haus. Es gibt Grund zu feiern, Kinder, Koyote ist an Bord, die Kompagnie ist komplett!

The preaching is over …

… and the killing’s begun.

Hamburg
Dezember 1999
Joey begegnet Kinky

Dezember Eins spielt Kinky Friedman live in der Hamburger Fabrik. Kinky Friedman and the Village Irregulars! Joeys Leib- und Magenautor für die frostigen Spätnachmittage der Seele, und den Tipp verdanke er – wem sonst? – Samuel Meier. Zum Auftritt von Kinky mit einem einzigen Jew-Boy nicht zur Stelle: Samuel, für den Winterthur, Dezember Elf, näherliegt, dafür aber: Doc, Kurt, Queen. Und Joey, auf wattigen Weihnachtswolken schwebend. Nun kann man nicht sagen, daß Kinky das Hamburger Publikum von den Hockern reißt. Die Fischköppe bleiben im Gegenteil wie angeklebt auf ihren Stühlen sitzen, nur Joey springt hinten ein wenig auf und ab, auch bei den fünf immergleichen Witzen, die jeder aus allen Romanen kennt, aber hey! who cares? Die Songs, liebe Glaubensbrüder, sind nicht viel jünger als die Witze, aber Kinky, der Profi, bäckt jedes alte Brötchen neu, und die Platte, die er bei der Gelegenheit vertreibt, führt die Werke in Coverversionen von Willie Nelson an abwärts, was, wie Kinky charmingly rumblufft, noch schöner ist, als wenn er sie singt (womit er Recht haben könnte.) So in the end, Joey bought the record and went shyly up front to the grande artiste, wo die Schlange schon riesig war und Koyote Kurt Heldentaten vollbringt. Schnappt der sich nämlich Joeys Platte und stellt sich einfach ganz vorne hin, und hastdunichtgesehen hat Joey seine Widmung („For Joseph, from Kinky with Love“) und, was viel wichtiger ist: Das Glücksplektrum! Das Kinky-Glücksplektrum, 48 Stunden Glück garantiert! Chers amis, ob das Glücksplektrum sein Versprechen hielt, kann Joey nicht sagen. Hat es nämlich am selben Abend noch an Kurt weitergegeben, der sagte, er braucht es viel dringender! und sich seither bei Joey nicht wieder gemeldet hat … (trotzdem muchos gracias Kurt! I think …)

Hamburg, HFBK
Dezember 1999
Video-Tryout

Winter über Hamburg. Schnee, Eis, und komplett vergrippter Techno-Beck, der mit seinem 40’000-Marks-Schlüssel Tür und Pforte zum Video-Tryout im Schulhaus der HFBK öffnet … Dingsbums verdrahtet und dasda verdingst und dabei hofft, keiner langweilt sich, was keiner tut. Weil: Keine halbe Stunde danach kann ich mit der Pistole auf dich schießen, mein Freund, und dabei leise auf eine Matte trapsen, und schon siehst du mich, Kollege, wie ich langsam und virtuell verblute … Aaargh! Ich bin getroffen! Gedenket mir Frau und Kind, die eurer Hut empfohlen sind! Und (traps) erscheint wieder im Bild der kaltblütige Killer, den Qualm von seiner Knarre pustend, hasta luego baby, weiß einer zufällig, ob der Saloon schon offen hat? Joey das Auge inzwischen packt Bilder aus, Hollywood pervers und Sternenhimmel deluxe, stellt Plastik-Cowboys (Direkt-Import von Doc aus der US von A!) hinter angegilbte Westernstadtansichten, legt Blueberry flach, findet Wagenspuren im Video, wo im Schwarzweiß-Foto nichts zu sehen ist. Video-Tryout also für die Sache der Kompagnie, Techno-Beck hinter Schaltern, Drähten und sämtlichen Kameras, und Joey el Video-Jockey probt Einsätze für die Bühne. Es geht los! Und geht den ganzen Nachmittag so weiter, Bilderstürme für Westernträume, „Brother, I’ve got an emphysema“, aber die Zigarette, die in einem Becken voller Sand und Kippen langsam vor sich hinbrennt, kommt trotzdem cool …

Hamburg, kurz vor Weihnachten
Unsere Cousins im Himmel

John Selman SpielkartePost von Samuel Meier; Freude in Hamburg, der erste Song ist da! Noch ungeklärt das Wer und Wo, wahr ist ohne Frage: Jeder hat einen Cousin im Himmel. Oder etwa nicht? Doc wünscht sich dazu die Spielerballade, got a hand on my gun, an ace up my sleeve, and my bible is covered with grime … wie auch immer, mightily charmed, Samuel! („Thankee, thankee, Joey.“)

Zürich zwischen den Jahren
Kompagnietreffen chez Holz

Meldungen zum Jahresende fliegen kreuz und quer. Madame Hu schickt aus Berlin Schüsse und urbane Vibrationen, der Frito Bandito schleppt Bühnenbildmodell in der Kiste an und erzählt von Bautätigkeit in der Gessnerallee. Samuel kommt mit einem Susi-Abschied-Song, und das Teil schraubt sich ins Ohr, Kids. Klang-Erratik-Konzepte von Holz & Meier treffen sich ganz organisch mit Plot-Programmatik courtesy of Doc & Queen. The saloon is haunted, kein Zweifel, und Jacques der Zauberlehrling, der von Geistern überrollt wird. Wer die Fantasie an die Macht läßt, darf sich nicht wundern, wenn er Sex und Gewalt erntet. Was für Prärieträume gilt; bei Max wird ganz friedlich und weitgehend unorgiastisch ein Topf Spaghetti konsumiert, Laurel & Hardy im Westen sorgen für Backgroundflimmern, weiterer Durchgang durch das inzwischen fünfspaltige Szenenpapier. Wir nähern uns der kompletten Unübersichtlichkeit, aber der rote Faden, Freunde, brennt hell und klar, mit Detonation angesetzt für Ende Mai. Zum Essen kommt Susi dazu, Jacques wird multitelefonal mit Messages bestückt, scheint aber andersweitig unabkömmlich. „Keep a’goin“ schlägt „I will survive“ von Cake aus dem Feld, bestechende Vision von Cowboys im Altersheim, die tattrig aus dem Takt den Takt klatschen. Apropos Cake – muchos gracias an Anna und Manuel, die der Runde Missys Sprüngli-Birthday-Cake zum Nachtisch stiften. Quite late zeigt sich Sally Texaco, ißt ein Stück Kuchen, trinkt ein Schluck Wein, hat so große Ohren, Großmutter? Halt, Schnitt! (da lief grad kurz ein anderer Film).

Sylvester 2000
Zürich/Berlin/Under the Western Stars

Nachmittags um fünf ist die Spannung schon vorbei. Kein Computer-Gau in Australien, später auch nicht in Tokio, Moskau, E-U-Roppa oder los Estados Unidos. In Berlin fällt immerhin ein Küchenregal von der Wand. Und jetzt also ein ganzes Jahr lang diese magische Zahl, zweinullnullnull, auf sämtliche Schriftstücke setzen? Geil. It’s the year of the preacher, man!

Januar/Februar 2000

Liste: Comics
Ennis/Dillon: Preacher; Giraud: Blueberry; Morris: Lucky Luke; Lansdale/Truman: Jonah Hex: Two-Gun Mojo; Mariotte/Cassaday: Desperadoes; Vigil/Barbour: Gunfighters in Hell; Batman: The Blue, the Grey & the Bat; Vasquez: Johnny the Homicidal Maniac; Vasquez: Squee!

Anfang Januar 2000
Joey an Johnny the Homicidal Maniac

Verwandte, verwandte Seele, Tagebuchschreiber comme moi. Seiest hier verewiglicht mit der unvergeßlichen Eintragung von Ende Heft 4: „Dear die-ary. I seem to be dead.“

14./15. Januar 2000
Hamburg
PräriePreacher Roundup in Docs Corral

Max Holz reitet schon am Freitag früh in Hamburg ein und galoppiert nachmittags mit Doc zur Sitzung auf Kampnagel. Kleine Staubwölkchen wachsen wie seltsame Blüten unter den trommelnden Hufen der Pferde. Die Queen geht kämpfen; die Weisheit des Ostens besänftigt das Beben der Erde. Um Mitternacht Rendezvous mit einem Geisterhund. Jim Jarmusch, der Mann für die langen Abgänge, läßt diesmal Tauben in New York hochfliegen. Katas vor dem Penthouse, erschöpfte Mafiosi. Am Ende stirbt ein Samurai, wieder einmal ohne einen Gedanken an die Zivilbevölkerung.

Samstag: Roundup in Docs Corral. Immerhin rund die Hälfte der Kompagnie gibt sich einen Tag lang die Klinke in die Hand. Zum Frühstück erscheint Sally Texaco, beam me up from Zürich, nachmittags mit Leitzordner und gespitztem Bleistift Patty Pejote, Produktionsleiterin für Hamburg. Danach – TA-DA! – Annette ter Meulen. Gerat ich je in Feindeshand, laß Lightforce Annie bei mir sein. Aktuell zuständig für die konzeptuelle Beleuchtung der Prärie (Leuchtstoff? Unterglühwelten?) und ganz nebenbei eine uralte Compagnera des Frito Bandito. Der heute in andern Wüsten herumreitet. Dagegen trifft Lichtkonzept auf Videokonzept, als, wie immer bewaffnet mit 3-Kabel-Voll-Plastik-Spy-Revolver, Techno-Beck in der Pferdekoppel auftaucht. Hello Mr. Beck! Bleibst du zum Essen? In der Küche reitet Stefan Raab durch sächsische Schrebergärten, einen ganzen langen Flur entfernt bespricht Markus von der Dachsfarm mit Doc und Holz die Präriegraphik – let the churches burn. Platz am Tisch gibt’s noch für Koyote Kurt, und später auch für Joey; für Joey immer. DIE beiden zusammen auf einer Bühne? Das wirdn Ding. Kojote wirft also die Haare zurück, schenkt Doc ein Video, das ihm nie gehörte, und bleibt bis zur letzten Bahn nach Oldenburg. Wie eine Luftblase im Kartoffelpüree wird die Runde erst größer, dann wieder kleiner, platzt schließlich zufrieden und geht schlafen. Noch herrscht Ruhe. Wir warten auf den Sturm.

Liste: Sounds
Willie Nelson: Song of the Preacher; Cake: I will survive; Henry Gibson: Keep a’goin; Legendary Stardust Cowboy; Kinky Friedman: Before All Hell Breaks Loose; Eminem: When Bad meets Evil; Bloodhoundgang: A lapdance is so much better…; Tex Ritter: Blood on the Saddle

Rauchen Cowboys Marlboro?
Larry McMurtry sagt: Nein.

Zürich
Ende Januar 2000
Ein Meeting unter Männern

… bei welcher Zusammenkunft mit dem ehrenwerten Herrn S. Lunin der Doc und Max Holz im Schlachthaus für die Kompagnie einen weiteren Paten gewinnen konnten. Bern will sich im Herbst dem Westen verschreiben, der PräriePriester paßt perfettamente ins Programm. Cool!

Hamburg
Februar 2000
Bauprobe auf Kampnagel

Umgekehrte chinese boxes hat der Frito Bandito jetzt ein halbes Jahr lang gebaut: Von der Schuhschachtel zum Weinkarton und weiter fast in Umzugskistengrösse Bühnenbildmodelle angeschleppt die (mal abgesehen vom Inhalt) das hohe Lied der Wellpappe und der Reißzwecken singen. Und jetzt – blam! – das Ganze in Echtzeitformat mit Sperrholz markiert auf der großen Bühne auf Kampnagel. Scheinwerfer an, Kameras ein, und Koyote Kurt links neben das Kirchenfenster gestellt … Wow. Der Raum schreit nach Action, und so wollen wir es auch haben. Lightforce Annie und Techno-Beck kontrollieren Lichtstärken und unterhalten sich über Ansilumen, ein friedvolles Wesen aus dem dritten Gammaquadranten, ausgestattet mit einem Hirnvolumen, das dasjenige des Menschen um viele Male übertrifft. Von diesen Ansilumen sollen ungefähr tausend im Preacher-Spektakel mittanzen. Sein Wort drauf gibt: Joseph X. Auge.

Hamburg
Februar ongoing 2000
Zwischenbericht aus der Textwerkstatt

„Oh shoot! we’re tripping! Get an ambulance!“

Kansas um 1870
Where the Tumbleweeds roll

Diese merkwürdigen Dinger, die wie luftige kleine Heuballen oder überdimensionierten Pusteblumenköpfe durch die Westernlandschaft kugeln – Tumbleweeds – neben Pferden und Landschaft und Lagerfeuer DAS Sinnbild für das ungebundene Leben des Cowboys, sind, laut Aussage von „THE WILD WEST“ ein Importprodukt aus Russland und kamen quasi als blinde Unkraut-Passagiere im Getreidesamen-Gepäck der Mennoniten in die Vereinigten Staaten, wo sie, ebenso wie das russische Korn, das diese mitgebracht hatten, sich sofort heimisch fühlten und zunächst einmal mit, wenig später schon statt den Büffelherden die Prärie durchzogen. Bei den Mennoniten lief oder purzelte das Tumbleweed unter dem Namen „russische Distel“.

Hackesche Höfe Berlin
Februar 2000
Huhu, Madame Hu!

Während Bambi wie ein UFO in den Sophiensälen gelandet ist und da fremdartig vor sich hinblinkt, findet ein konspiratives Treffen in den Hackeschen Hinterhöfen statt: Denn wohnt nicht Madame Hu in Berlin? Und hat nicht Samuel Meier heute seinen freien Tag und damit Zeit & Musse für eine Begegnung mit der mysteriösen Dame, die alle sieben Weltmeere in einer Piratenschaluppe bereiste? Oh ja. Ooooh ja, wie Max Holz gerne sagt, der aber zu Hause bleiben mußte, nicht ganz eine Nashville Casualty, aber ausreichend verletzt, um eine Not-Operation auf dem Billiardtisch – ne, ne, im Unispital – zu beanspruchen. In Berlin zirpen chinesische Grillen. Rilkes Abelone seufzt arrhythmisch von den Fallstricken der Liebe, und Hu stimmt zu, der schönen Dame fürs erste ihre Künste zu widmen.(UFO-Bambi ködert auch Börlin; die letzte Vorstellung ist gerammelt voll.)

Köln
Februar 2000
Foto-Session in the Streets of Urban Laredo

Im Vorfeld des BambiBeastical-Festivals mit vorläufig letzter Plastikmenschenvorstellung finden in der Kölner Vorstadt weitere Priestervorbereitungen statt: Foto-Shooting mit dem Akteuren-Trio Jacques, Susi und Kurt. Der Frito Bandito schleppt einen Holzkoffer voll Kostümen an, nur an Pistolenholster fehlt’s mangels nötigem Kleingeld. Die Dinger sind schweineteuer. Rein zufällig findet sich neben dem Hotel Lanzelot, dessen originalgetreuen blümchentapeten Zimmer aus einem vorigen Jahrzehnt, wenn nicht Jahrhundert, schon in einigen Theater- und Fernsehaktionen mitspielten, eine Country & Western-Kneipe. Die Wände sind gepflastert mit Revolverhelden und Westerngadgets, der Kaffee wird, ganz wie in Ami-Land, nachgeschenkt. „Refill“. Für die letzten Aufnahmen bietet der Herr des Hauses seine Sammlung an Holster und Revolver an. In den kleinen Laschen stecken Patronen, und eigentlich könnte man jetzt auch gleich losziehen und eine Eisenbahn überfallen.

März/April 2000
Teenage-Killers born in the US of A

John Wesley Hardin, angeblich einer blutrünstigsten Revolverhelden des Wilden Westens, beging seinen ersten Mord mit 15 und ritt mit 16 bereits in Gesellschaft weit älterer Desperados. „I fired with a Remington .45 at his heart and right after that at his head. As he staggered and fell, he said: ‚O, Lordy, don’t shoot me any more.‘ I could not stop.“ Angst jagte Hardin nur die Vorstellung ein, einem Lynch-Mob in die Hände zu fallen. „Readers, you see what drink and passion will do. If you wish to be successful in life, be temperate and control your passions; if you don’t, ruin and death will be the inevitable results.“ Hardin verbrachte 16 Jahre im Gefängnis. Im Alter von 43 wurde er beim Würfelspiel von hinten erschossen.

Den Darstellungen seiner Autobiographie läßt sich entnehmen, daß in den Saloons und an Privatparties im alten Westen kein Bier, sondern ausschließlich Wein und Whiskey getrunken wurde.

Zürich/Berlin/Hamburg
März 2000
Vorlauf – PrärieAction

Freunde, diesen Monat reichts nur für Kurznachrichten. Lest den Ticker und fühlt den Puls der Kompagnie höherschlagen, immer höher schlagen, ein Raumschiff kurz vorm Start:

Max Holz, dem der Arzt eine akustische Schonzeit verordnet hat, tritt von seinen Bühnendiensten zurück und schickt stattdessen seinen kleinen Bruder ans Schlagzeug, ein Berliner Max Holz, der aber, was für eine Überraschung, einst zwischen den Glarner Alpen das Licht der Welt erblickt hat. Sig wilkomm, Holz Junior!

Tombstone of the Soul. Die Songs fliegen wie Kugelsalven kreuz und quer: Madame Hu sendet dreistimmige Love-Klänge aus Berlin, Lyrics zappen von Hamburg nach Zürich, wo Samuel Meier ein Song nach dem andern rausjagt, Holz d.Ä. („the rhythm is the method“) Dickens und DoomSounds bumtsabumm!-bearbeitet.

Im Hause Queen und Doc arbeitet die Textwerkstatt auf Hochtouren. Nach Analyse-Sitzung („Meine Heftchen!“) Gameshow und orientalischem Märchen tumbeln sich grade die Zwischenszenen aus dem Grab ins Leben. Introducing Jim Miller und Tom Dixon. Zwei Revolverhelden unterhalten sich post-lynching über das Dasein: „Schläfst du, Jim?“ „Ich schlafe nicht, Tom. Ich bin tot.“ „Still, still, du bist nicht tot. Du bist erwacht vom Traum des Lebens …“ (Na bitte. Im Klauen sind wir groß.)

… und eines Morgens um drei flattert dann der Präriepriester vom Himmel. Es handelt sich dabei um eine in New Mexiko weit verbreitete Distelart (engl. „tumbling reverend“), wohnhaft ausschließlich an den Kreuzhängen des Südens. Gleich am nächsten Tag um zehn wird der Fund an Colonel Kerber von der Gessnerallee weitergereicht, der sich – Chapeau, Colonel! – umgehend um eine Illustration (das Internet? ein ältliches Lexikon?) zu bemühen verspricht.

Leseprobe Nummer Eins in Hamburg findet Ende März statt, anwesend die Norddeutsche Fraktion, immerhin neune, Joey das Auge und Koyote Kurt sprechen sich selbst, Doc und Regieassistentin Karimah den ganzen Rest. Dann packt sich das Text-Team zusammen und fährt tags darauf gleich weiter nach Zürich. Der ICE stellt freundlicherweise das Konferenzabteil für letzte Änderungen zur Verfügung. Hey Jetset!

Leseprobe Nummer Zwei in Zürich. Die Band spielt sich schon seit Anfang Woche in der Roten Fabrik zusammen: Fine tunes for fiendish times. Colonel Kerber schaut kurz rein und gratuliert zur pünktlichen Fertigstellung der Vorlage. He, Colonel, Szene 9 fehlt noch! Schon weg. Der Frito Bandito kämpft mit seinem Handy und fordert mehr Sex. Hubbahubba, okay! Theater am Tisch? Das wärmt die Düsen, das bringt die Motoren zum Brummen. Aber jetzt wird’s langsam Zeit, abzuheben … ist ja auch schon APRIL 5 – – –

Hamburg
Karfreitag
Welcher Song spielt denn in dem verdammten Radio?

Joey ist wieder da, Leute, nach einem bewußtseinserweiternden Ausflug zum Planeten Hans (Papa! Papa!) und derweilen hat sich inzwischen die gesamte Kompagnie sternförmig um Kampnagel formiert. Musiker sind seit zehn Tagen, les acteurs seit Anfang der Woche in HH, fünf Tage Probenzeit um. Und jetzt wird erstmal unter Christenmenschen, mehr oder weniger, ein Fisch gegessen. Okay, sieben Fische. Zubereitung? Ach, wenn das euch so wichtig ist … die werden erst in Kräutern, Senf und Olivenöl mariniert. Dann werden sie in den Ofen geschoben. Dort brutzeln sie unter Alufolie auf Spinat und Lauch eine halbe Stunde, dann noch eine halbe Stunde, wer traut schon den Angaben eines Fischhändlers, dann, hey presto! aufn Tisch und happs, weggefressen. Na, nicht ganz. Sechs große Lachsforellen und ein Saibling sind ziemlich viele Fische für 12 Personen. So. Und jetzt brauchen wir erstmal einen Vodka. Okay. Und dann? Nuuuuun … in der einen Ecke schaut sich Susi Lara Croft an und fühlt sich plötzlich alt. Der Rest des Tisches erliegt ganz der Verführung von „Ja-Nein-Irrelevant“ Partyspielen. Das Rätsel der Queen (ein Mann sitzt bei offenem Fenster an der Schreibmaschine und ist tot. Auf dem Fußboden liegt ein Stein) läßt sich schnell lösen. Jacques dagegen … Jacques treibt mit freundlicher Beharrlichkeit und sadistischem Gleichmut die Runde beinah zum Wahnsinn. Ein Mann kommt nach Hause, stellt das Radio an und erschießt sich … ja also, und was läuft im Radio? Ein Song. Und welcher Song? Und so weiter.
(Sally Texaco knackt schließlich die Nuß und Jacques kriegt dafür bei „You Don’t Know Jack“ eins aufn Deckel. )

Kampnagel Hamburg
Ostersamstag
Lötkolben und Knarren

Für Samuel Meier, grade erst wieder aus Zürich angereist, gibts einen kleinen Wochenüberblick – vier Szenen lassen sich immerhin schon zusammenhängend zeigen. Waffen bitte am Tresen abgeben! Am Probenbühnenrand lötet währenddessen der Techno-Beck geheimnisvoll vor sich hin. Rufe werden laut, den Mann mit dem Feuerzeug in die Gesamtinstallation einzubauen.

Hamburg
Ostersonntag
Helene-Lange-Ursumpfleben

Am Hasensonntag Fortsetzung der Feiertagsgelagen, diesmal mit Video, wozu der Beamer aus dem Probenraum angeschleppt wird und sich dann alles technisch als gar nicht so einfach erweist. Techno-Beck arbeitet dran, Susi, Joey und Karimah machen zwischendurch einen kurzen Ausflug ins Schanzenghetto, besiegen eine gemeingefährliche Jugendgang und kehren triumphal mit dem geklauten Fahrrad von Miss Philadelphia wieder. Mit „A Bullet for the General“, ziemlich viel Lamm und wohlproportionierten Grappa-Dosen verwandelt sich die Kompagnie kurzfristig in ein sumpfartiges Geflecht, das lose verstreut zwischen Video und Eßtisch kleine organische Osterblüten treibt. Da eine Songzeile, dort ein kleiner Kampfausschnitt. Hinten im Raum verteilt „You Don’t Know Jack“ beim fortgesetzten Wettkampf am Bildschirm ganz unparteiisch fiese Sprüche. Jacques kriegt schon wieder aufn Deckel, diesmal gegen „Regiepussy“ Karimah, aber hey, der Mann gibt nicht auf!

Kampnagel Hamburg
April
Is our new Sheriff a girlfighter

Der letzte Songtext landet endlich auf Präriepriester-Boden – ein melancholischer Spieler erinnert sich an seine trübe bäuerliche Vergangenheit. You can’t lose if there’s nothing to win, Samuel!
Die Queen wird für agit-prop-Texte zum choreographierten Kampf von Sally Texaco mit den real Western Fistfighters Jacques und Koyote Kurt vorgeladen. Da wird mit Fäusten gearbeitet, Leute, aber auch gebissen, getreten und an den Haaren gezogen. Was auf amerikanischen Pausenhöfen einen Namen hat: Girlfighter. Girlfighter? Is our new Sheriff a Girlfighter? … come on, boys, we aiming for a real athentic western Faustkampf! (und bitte, wenn’s geht, vielleicht noch Charlton Hestons Ass.

Grindelhof Hamburg
April
Wirf die Kleider ab, Baby.

Sommerliche Temperaturen in der Stadt, und der gemeine Hamburger reißt sich die Klamotten vom weißgliedrigen Leib, setzt die Sonnenbrille auf, und macht bis in die tiefe Nacht hinein einen auf Italien. Am Corso am Grindelhof haben Kneipiers sämtliche Tische auf den Bürgersteig gestellt. We love it, bleiben aber diskret im Lokal drin. Neben dem Frito Bandito sitzt Sarah, the girl with the screwdrivers, und erklärt mal kurz, wie das mit dem Bestellen auf Italienisch funktioniert. E possibile di aver un cafe e un grappa? Gewinnbringende Erweiterung der Italienischkenntnisse der Kompagnie, die sich größtenteils auf Schlüsselsätze aus „Django“ beschränken: Mi dispiace, ma la mia guerra non finisce mai. Im Outlaw-Leben wertvoll, beim Kaffeebestellen unbrauchbar. Grazie, Sarah, e il contino perforare! (Wer ihn kennt, erkennt ihn sofort: Das war mal wieder Old Holz.)

hier & da, Hamburg
April
Witwe Hoboken sagt tschüß

Einmal durch alle Szenen, und in der Neun (ja, sie ist jetzt auch geschrieben) ergeben sich unheimliche Verwandlungen der geriatrischen Art. Witwe Hoboken, Madame Hus Altes Ego, Witwe Hoboken, hebt ihr Hemdchen und findet den Sekt abgestanden. Der Frito Bandito ist daraufhin überzeugt, daß die Kompagnie für komplett bekloppt erklärt werden wird. Ist das schlimm? Nö. Susi schlägt sich den Kopf an und muß zum Stadtindianer-Schamanen gefahren werden, wo ihr Kügelchen und Schonung verschrieben werden. Im Sinne dieser Anordnung ein spätabendlicher Ausflug ins Fundbureau, wo DM Bob und Band gnadenlosen Krach veranstalten. Hallo Musik! Kriegen wir auch solchen Krach auf der Bühne? Old Holz wackelt mit dem Kopf und ein Abflußröhrchen fällt ihm dabei aus dem Ohr. Da bist du ja, kleines Röhrchen! Getrocknet und in Kekse gebacken entfaltet die Prärie-Priester-Distel erst ihre volle Wirkkraft. Dazu paßt ein Werbeplakat der aufgekratzten Hamburger Zollbehörde (Dammtorwall 14, wo zwischenzeitlich die CD von Meier gelandet ist): „Wir haben vom Drogenschmuggel die Nase voll!“ Good for you, boys. Wir haben durchgeprobt, von Anbeginn bis heut, aber morgen ist frei. Nur Jacques, dieser Wahnsinnige, fährt nach Berlin und probt da gleich auf fremden Bühnen weiter.

Mai/Juni 2000
Mai Hamburg
„Krieg auf St. Pauli“ (MoPo Hamburg

Splitterbombe in einer Disco in der Feldstraße (wir waren ganz in der Nähe im Fundbureau, hören aber erst am Tag danach über Mama in Zürich von dem Anschlag); Krawalle um die Rote Flora am Schulterblatt (lag Sonntag auf Susis Heimweg). Am Wochenende hat Hamburg auf Wild West gemacht, oder Wild Ost (die Bombe war jugoslawischen Fabrikats) und dazu fällt uns Joschka Fischer ein. Man muß mit Widersprüchen leben. Was zum Teufel soll das denn heißen? Das haben sich die Grünen damals beim Parteitag vermutlich auch gefragt, und aus der Rede Fischers geliftet driftet der Satz direkt in den Präriepriester rein. Und bleibt da nicht allein. (Joey liebt den feinen Reim). Fischer ist natürlich Jacques Schutzheiliger, denn geht es in Tombstone nicht auch um den langen Ritt zu Jacques selbst? Aber sicher. Die Frage ist nur, was man da antrifft, wenn man angekommen ist, bei einem selbst. Die Antwort? Who knows. Allenfalls Borges: „Der Mensch vergißt, daß er ein Toter ist, der unter Toten lebt“. Damit kann man anderseits natürlich eine ganze Menge Fragen beantworten.

Kampnagel Hamburg
Mai
Ist der Doc zufrieden

Seit gestern wieder am Anfang angesetzt. Ist der Doc zufrieden? Der Doc ist nie zufrieden (sagt Susi, die seit Bambifikation Bescheid weiß). Immerhin umspielt zuweilen doch ein leises Grinsen die Mundwinkel des gestrengen Doc …

Hamburg
bis 10. Mai
Joey lernt fesseln, filmen, fliegen

Manche müssen ja nur Text lernen und Rumhüpfen und ein bisschen Liedchen singen und Instrumentespielen und so, aber Joey. Joey, der hat richtig zu tun.

He! Paß auf mit der Schaufel, Holz, Mann!

Da ist also erst mal das Video, und dafür eine Art Batman- oder vielleicht eher Robin-Gürtel, wo der Techno-Beck eine Menge Spielzeug dafür gebaut hat, allem voran natürlich der hellgrüne Videofön, ein fantastisch-technoides Flowerpowerteil. Geht kaputt, wenn man ihn fallen läßt. Dann gibts die Schalter – einen in den Dead Man’s Exit, einen unters Bett, einen zur Leinwand. Das alles bedient Joey, das Auge, der Video-Jockey, der aber dazu noch das Tombstone Dagebladet rausgeben muß, dafür Interviews machen, Informationen sammeln, Berichte erstellen. Und DANN muss Joey zwischendurch auch noch alles machen, was die komischen Saloon-Geister ihm sagen. Max Holz, Samuel Meier, Madame Hu. Zum Beispiel den Jacques fesseln, damit man ihn mit dem Quiz richtig auf die Pelle rücken kann, wie ein Rind oder eher wie Amnesty? Doc??? Und die Probenansage für morgen? Joey lernt fliegen. Alles klar!

Hamburg 10. Mai 2000
Rinderschädel in der Alster

Zehn Tage wird jetzt noch auf der Bühne wie in echt geprobt, mit vom Frito Bandito handbemaltem Teppich und allem. Nicht schlecht, und ganz schön viel Platz. Kabelsalat gibts zwar nach wie vor, aber da steht Old Holz drauf. Und nur die Rinderschädel aus dem Schlachthof fehlen – die haben Frito & Sarah erst mal in der Alster versenkt, und in 100 Jahren, wenn die Fische jedes letzte Fitzelchen Fleisch und Hirn und so weiter abgenagt haben, kommen sie dann bei uns zum Einsatz.

Hamburg 11. Mai 2000
Burning Down Kampnagel

Natürlich nicht in echt, Kollegen. Nur ein bisschen gegrillt haben wir, nur ein paar Würste auf den Rost geschmissen und ein paar Kollegen eingeladen und ein paar Biere getrunken und dann hat Susi mit diversen Freiwilligen noch den Square Dance geübt, und der Frito Bandito hat mit Regiepussy-Karimah Madame Hu an einen Baum gefesselt, und Jacques hat mit Baulatten ein kleines Lagerfeuer gemacht, ettzettera. Die Gedrehten von dem Koyote riechen eigentlich immer komisch und die Musik war auch nicht sooo laut. Kampnagel hat nicht gebrannt, und wer etwas anderes behauptet, der lügt. Nicht mal ein bisschen hat’s gebrannt. Die Polizei war nur zufällig grad vorbeigekommen und Chef Bosshard mag eben einfach keine Würste. All clear? Und morgen ist jetzt mal probenfrei.

16./17. Mai 2000
Kampnagel & Ex

Achtung Erde – Planet Präriepriester beschließt die Probenzeit auf Kampnagel mit einem Durchlauf. Nach fünf Wochen basteln, löten, färben, probieren, lernen, umstellen und über alle Kabel stolpern wird jetzt vor handverlesenen Zuschauern Szene 0 bis 9 im Ablauf gezeigt. Doc, muß das sein? Muß sein, sagt Doc. Also dann … aber erst noch ein Wort zum Training. Das macht nämlich Sally Texaco jeden Tag zum Probenbeginn, nur in der Zeit, als sie weg war, ist Joey mit Boxübungen eingesprungen, daß der Kompagnie schon vor Beginn der Probenarbeit die Puste weggeblieben ist. Paffpaffpaffpaff! Wenn aber Sally da ist, dann gibt sich die Kompagnie jeden morgen um halb elf sozusagen als Gesamtkörper in ihre Hände und verwandelt sich in einen Haufen williger Gliederpuppen. Das ist dann wie Batterien aufladen oder manchmal auch ganz gezielt auf das gerichtet, was der Doc später braucht. Der Squaredance zum Beispiel. Denn logisch bringt der Präriepriester auch einen Squaredance auf die Bretter, aber den muß man ja erstmal choreographieren! Also liegen unsere Helden rum und warten auf den Einsatz der Musik, und Sally steht dabei und paßt auf, daß jeder Schritt und jede Drehung so kommt, wie’s richtig ist. Als hätte sie Fäden in der Hand, so sieht das aus, oder vielleicht in der Stimme, weil Sally immer ziemlich kräftig in der Gegend rumschreit. Bißchen unheimlich ist das schon, wenn die Quadrattänzer mit Sally als Körperdrahtzieher ganz leere Augen kriegen (aber das ist auch wegen Konzentration und Mitzählen) und anfangen rumzuhüpfen, und sich drehen, und schießen …

Jetzt aber: Abschluß Kampnagel mit einem Durchlauf und strengen Zuschauern, die sich vielleicht aber auch einfach nicht trauen, groß Reaktionen zu zeigen. Die Queen lacht sich im Hintergrund natürlich kaputt, aber die hat ja auch am Text mitgeschrieben und findet wahrscheinlich einfach die ganzen Scherzkeksnummern lustig. He, sind ja auch lustig! Wie immer, danach noch ein bißchen gesammelt und ausgewertet und Schwachstellen bestimmt — und ab in die Garage damit! sagt Holz. Das passiert dann in Zürich, wo die ersten Tage noch bühnenbildfrei verlaufen. Jetzt aber erstmal alles in eine Million Kartonkisten verpacken, die Karimah und Sarah („O Mann, Frito!“) durchnumerieren und beschriften und für den Zoll fertigmachen. Das hat man jetzt davon, daß die Helvetier damals störrisch die EU verweigert haben.

ab 19. Mai in Zürich
Ziemlich cool in der Gessnerallee.

Mit dem einen Foto von Jacques, Susi und Koyote Kurt in der Kölner Tiefgarage hat Dachsfarm-Markus ein Plakat gemacht, und das hängt jetzt extrem riesig überall in der Gessnerallee. Geile Sache. Vor allem in der Reithalle drin, wo das Bild zur Einrichtung paßt wie die Westernfaust aufs Auge, und freundlich-bedrohlich der Kompagnie bei den Essenspausen zusieht. In den Räumen über der Reithalle gibts einen Probenraum, und hinten ein Musikzimmer, und überall ist die Garagenarbeit in Gange. Szenen umschreiben, Musik umschichten, zack, zack, zack. Viel Zeit bleibt nicht mehr, aber immerhin sind die meisten wieder mal ausgeschlafen. – Die Gessnerallee, das war ja mal Kaserne, und das paßt grade ganz gut zur soldatischen Mutation der Saloongeister. Sind ja auch alles alte Soldaten! Haben im Bürgerkrieg mitgekämpft, natürlich auf der Seite der Verlierer, und seither ist das eine Bein von Holz Junior ein bisschen steif. Aber die Dixie-Melodie, die ist ihnen nach wie vor im Blut: To arms! To arms! In Dixie! Mein lieber Jacques, das ist nicht nichts, was sich bei dir in deiner schnieken Yuppie-Wohnung grade breit macht – und das findet Jacques auch und flüchtet sich auf den Kühlschrank. Ha! Netter Versuch!

Blood & Pizza – die Kompagnie nimmt Anlauf für den letzten Sturm. Techno-Beck hat den Löt-Tisch in Hamburg gelassen und kontrolliert den Aku-Lauf der Zappergänge. Lightforce-Annie und Kumpel Björn kommen mit Lichtplan zum Einsatz – kriegt man ein Fernsehflimmern auf Jacques Visage? Der Frito-Bandito macht Kostüm-Bühnen-Doppelschichten, und aus der Dusche soll ja auch Wasser spritzen. Das wird teuer! sagt Frito. Egal. We want it all, and we want it now! (Ach Freddie, Freddie, wie gern würde ich dir eine Zeile stiften, aber die Zeit drängt. der Doc ruft, der Glam-Rock muß warten …) He Anna! Anna! Anna querida, kannst du mit mir noch schnell den Text durchgehen?

Zürich Gessnerallee
Mai bis 1. Juni

Garagenarbeit beinah abgeschlossen, da und dort wird noch gefrickelt. Koyote kriegt Deutsch-Rock aufgedrückt: „Baby, du darfst ihm nicht glauben!“ – und findet sich rein wie eine Forelle in den Rhein. Colonel Kerber hält nach einem Durchlauf Susis Verwandschaftsverhältnisse zu Sancho für undurchsichtig – he Colonel, sagt denn Sancho nicht: „Susi, mein Schwester, du mußt mich rächen“? (Jetzt schon.) Und Techno-Beck schaut nochmal verschärft aufs Video. Diese Diva! Kein Acteur zickt so wie das Video, aber mit Umschalten und Arsch-Hochhalten – das gilt für Joey – bringen wir die Sender vielleicht doch noch auf Sendung…
Voll im Einsatz: Lightforce Annie und Kumpel Björn. Jetzt wo alles steht, wird Licht in die Sache gebracht, ohne großes Rumgefackel, wenn Joey das mal so sagen darf, weil, die beiden haben sich die Geschichte genau reingezogen, und was sie vorschlagen, ist das, was sie gesehen haben, in grün und rot und orange und gelb und weiß, und sämtlichen Mischfarben dazwischen. Und wo vorher ein bißchen Brei auf der Bühne war, ist jetzt keiner mehr, da holen die Scheinwerfer Samuel Meier raus, wenn er singt, und geben Susi grünes Licht, wenn sie zu Hause auf der Farm steht, und heben sich das Orange, das volle, knallige Abendleuchten, für ganz zum Schluß auf. Langsam, langsam baut sich das auf, mit Rückfragen und Absprachen und Vorschlägen, und dauert doch nur vier Tage, bis der Präriepriester strahlt, echt Leute, der strahlt jetzt, der letzte Schuß Magie für den Abflug in den Western, in die Westernprojektion. Und wenn Samuel vorn auf dem Sprungbrett jetzt von Alhambra singt, dann leuchten die Leuchten über ihm mit Joeys Videofön auf Video wie die Sonne über Arabien. Arabien!!! Können wir da nicht gleich schnell hin, Doc, zu deinen Prinzessinnen und den kühlen Brunnen und den Mosaikwänden? Ach so, erst noch die Premiere … na gut. Lightforce Annie und Kumpel Björn jedenfalls leuchten und leuchten und leuchten, 60 Cuts sind das bis zum Ende mit: „Licht Aus!“ Und immer wieder stellt sich die Kompagnie auf die Bühne, von Anfang bis „Licht Aus!“ Neben Doc sitzt inzwischen Anna-Chikita, Hospitantin par excellence, schreibt Zettel um Zettel voll mit Kritikpunkten, während knappe Kaffeepausen mit Karimah und Queen sich hochkochen zu last-minute-Video-Fragen (was ist mit der toten Rose, Doc? Rilkes Liebe? Ach soooo …) und dabei wird ganz allmählich die Kiste schneller, immer schneller, kriegt Schwung, hebt an einem Abend plötzlich ab – und fliegt!?! – geil… leise, leise, vergnügt und leise: geil…

Juni
Die Nacht davor

Old Holz sagt: Das war jetzt die 60 Prozent Veranstaltung. Will heißen, die Generalprobe hält sich bedeckt. So muß es sein, hat sich Joey sagen lassen, der sich grade wieder mal fühlt wie die letzte Laus im Wilden Westen, aber he! eine fröhliche Laus, weil: Über ein Jahr ist es jetzt her, seit die Präriepriesterdistel gekeimt ist, und jetzt dauert es nicht mal mehr 24 Stunden, bis sie ihre Blume zeigt. Und Joey, Freunde, hat sich in dem Jahr amüsiert, er hat gearbeitet wie ein Tier, aber amüsiert hat er sich auch. Ach was, amüsiert, was heißt das schon. Denkt euch das mal so: da lebt man vor sich hin, ist eins für sich und zwei mit jemand anderem und so weiter, und dann kommt da so eine komische Kompagnie, sagt: „Bist du bereit, mit uns zu kämpfen, für uns zu sterben, und dein Blut im Staub der Prärie zu vergießen?“ Und Joey, der sich, seit er zurückdenken kann, gewünscht hat, daß ihm einer diese Frage stellt, sagt: „Ja“. Sagt einfach nur: „Ja“, und das war der Anfang, und so lief es auch immer weiter, und das ist am Ende das, was morgen, 2. Juni, in der Gessnerallee auf den Teppich vom Frito Bandito vors Publikum treten wird.
Die Kompagnie.

Und Joey, Kollegen, euer treue Protokollant, die mächtigste Laus im wilden Westen, sagt dazu jetzt nur noch eins: Love it. Or fucking leave!