MASS & FIEBER
Ein Lehr- und Singstück über die Neutralität
Expo.02 Yverdon – 26. Juli 2002
Der Krieg, das Rote Kreuz und die Schweiz sind auf eigenartige Weise verbunden. Der Krieg ist die dunkle Kammer der Vernichtung und des Fortschritts. Dort gehen die Ritter vom Roten Kreuz hinein, damit die Schweiz sich heraushalten kann. Sie schützen die Opfer des Krieges und halten ihn von der Schweiz fern. Das ist der Schweizer Sonderweg, oder eben: die Neutralität. Das IKRK versteht sich als unabhängig von seinem Standortland. Beharrlichkeit, Unparteilichkeit und Dunants „idée géniale“ der Neutralisierung der Opfer haben es zu einem humanitären Global Player gemacht. Welchen Preis aber hat die Diskretion im Angesicht des Krieges? Und die Schweiz? Bleibt sie gefangen in den Mythen der politischen Unschuld, des vom Krieg verschonten Kleinstaats und der diskreten guten Dienste? Gibt es die viel zitierte Neutralität noch?
Lehrstücke sind aus der Mode gekommen. Festspiele haben ihre Zeit überlebt. Und wenn im Theater gesungen wird, geht keiner mehr davon aus, dass damit etwas gemeint sein könnte. Grund genug für MASS & FIEBER, diese Spielformen zu reaktivieren, um mit ihnen in See zu stechen. Ein Singspiel, ein Lehrstück, ein Festspiel – eine Kreuzfahrt im Zeichen der Neutralität.
Die Arteplage Mobile du Jura wird zur Theaterbühne. RED CROSS OVER ist für ein Schiff geschrieben – für dieses Schiff. Mit einer einmaligen Kulisse: die Postkartenansicht der Schweiz im Jahre 2002. Und das Schiff spielt mit. Als fahrendes Theater wechselt die AMJ innert Sekunden ihren Zustand, wird vom Partyboot zum Flüchtlingsschiff, von einer Piratenschaluppe zum Geisterkahn. Aufbruch in die Dämmerung – Ankunft bei Nacht. Wie bleibt man neutral, ohne angeschwärzt zu werden? Kreuzfahrt tut Not.
„Démarre AMJ!“ Die Fahrt mit MASS & FIEBER führt die Zuschauer in eine Abfolge von Zonen, von Inselgeschichten, Land- und Seeszenarien, von Lima 1996 zur Schweiz 1942, vom Delegiertentraining bei Genf bis hin zu einem Geisterhotel im Niemandsland der Kriegsverbrechen. Piraten zeigen Highlights aus ihrem Theaterschaffen, Rotkreuzschwestern stellen Präsidenten zur Rede, Schulmädchen schreiben einen Brief an den Bundesrat, ein König durchlebt eine Sinnkrise und eine Botschaftergattin singt Heimatlieder. Und dazwischen erscheint Henri Dunant – Dunant der Visionär und Erfinder des Roten Kreuzes, Dunant der Bankrotteur, der aus seiner Heimatstadt Genf vertrieben wurde, Dunant der Apokalyptiker, der in die Zukunft schaut und nichts sieht als Blut. Dunant, der mit allen drei Kreuzen gehadert hat, dem roten, dem weissen und dem ältesten von allen, dem Kreuz des Christentums.
MASS & FIEBER lädt ein zu Kriegsgesängen und Anlageberatung, Mythenbeschwörungen und der Suche nach den letzten Dingen. Einmal noch die Schweiz als Reservat erleben, einmal noch die präneutralen Heldenfabeln feiern, und dann – den Sprung wagen, ins kalte Wasser jenseits des Sonderwegs. Ein Abend mit acht Schauspielern und drei Musikern. Dem Tod geweiht, zur Liebe bereit – wir sind die letzten Mohikaner.
Sibylle Aeberli, Martin Gantenbein, Fabienne Hadorn, Albrecht Hirche, Martin Hug, Rebecca Klingenberg, Sebastian Krähenbühl, Suse Lichtenberger, Christopher Novák, Markus Schönholzer, Iris Zantop
Text: Brigitte Helbling, Niklaus Helbling Musik: Sibylle Aeberli, Martin Gantenbein, Markus Schönholzer Regie: Niklaus Helbling Bühnenbild und Kostüme: Dirk Thiele Choreographie: Salome Schneebeli Maske: Werner Merz Klangkonzept: Jeroen Visser Artwork: Thomas Rhyner Video: Michel Gilgen Technische Leitung: Peter Affentranger Produktionsleitung: Dora Kapusta Assistenz: Dominique Müller, Tina Esch, Judith Steinmann, Michi Vollenweider, Lydia Lymbourides
Expo.02
Arteplage mobile du Jura
26. Juli 2002 – 10. August 2002
Konzertante Lesung in der Theaterhaus Gessnerallee Zürich Mai 2003
Expo 02
Henry Dunant mutiert zum Splatter-Autor
Das politische Theater ist tot, es lebe das politische Theater! Ein Theater, nach dem man sich die Finger leckt wie nach einem Comicstrip und das uns brechtsche Lehrsätze verkauft wie Zuckerwatte. Diese Grätsche zwischen Magenbrot und Moral ist die Spezialität des Zürcher Dramaturgen und Regisseurs Niklaus Helbling und seiner Gesellschaft für beschränkte Theater-Haftung, die man achten und ächten gelernt hat unter dem Programmtitel „Mass & Fieber“. Hoch bis nach Hamburg, in den Feuilletons hienieden. „Mass & Fieber“ bezeichnet sowohl den Innenzustand eines hyperaktiven Philosophen-Zirkels wie die äussere Form eines Theatergenres, das es zu erfinden galt. Bei „M & F“ ist ein Musiker ein Schauspieler ein Bewegungskünstler. Und ein Philosoph, wie erwähnt… Der vierte Streich von „M & F“ ist wie gemacht, ein spezifisches Umfeld nachhaltig zu verunsichern. „Red Cross Over – ein Lehr- und Singstück über die Neutralität“, so nennt er sich, hat sich als Premierenort die Expo ausgesucht, die als unpolitisch verschrieene Landesausstellung. Dort zündelt man unter Artverwandten, auf der Titanic der Patrioten, die sich Piraten nennen, auf der Arteplage Mobile du Jura (AMJ). Unter wechselnder Flagge kreuzt sie zwischen den vier festen Arteplages, ein unmittelbares Medium der Reflexion, des Kommentars und der Kritik dessen, was Hellers Helden auf festem Boden realisieren. Wer auf der AMJ noch einen Restwind von Pipilotti in der Nase hat, liegt goldrichtig. Deshalb holte sich der künstlerische Leiter Juri Steiner „Red Cross Over“ an Bord, das andere Festspiel als Mythenmassaker. Die Produktion ist die teuerste der AMJ, mit 25 Beteiligten die personalintensivste – und, gefahrlos, dies vor der Premiere zu behaupten: die angriffigste und angreifbarste. In sieben Bildern und sieben Zeiten, zwischen 1942 und heute, beleuchtet sie auf ihrer Fahrt über das Wasser (möglich bis Windstärke 4) Aspekte der Schweiz, des IKRK und der Neutralität. Das klingt gewichtig, und Gewichte sind auch am Werk: die Kern-Denker von „Mass & Fieber“, Brigitte und Niklaus Helbling (Text), Martin Gantenbein und Markus Schönholzer (Musik), Dirk Thiele (Bühne und Kostüme) und Salome Schneebeli (Choreographie). Seit Juli ist sogar gemeinsames Wohnen in Grandson verordnet; Ideen sind stets die Ideen aller, und die Resultate so gut, wie alle mitgedacht haben. Der Plot aber stammt vom Herrn der Ringer, Niklaus Helbling… „Lehr- und Singstück“ nennt sich der Untertitel, und die Reihenfolge ist Kalkül. Gewiss wird gesungen, von Sibylle Aeberli, Fabienne Hadorn oder Markus Schönholzer erfahrungsgemäss berührend schön – doch belehrt wird noch fleissiger: Helbling wird Henry Dunant (der deutsche Regisseur und Schauspieler Albrecht Hirche) übers Schlachtfeld von Solferino bummeln lassen, wo er zum Splatter-Autor mutiert…
Daniele Muscionico, NZZ am Sonntag, 21.07.2002
Als Rot-Kreuz-Ritter in die Schlacht
Unter der Fahne von Mutter Theresa greift das Jura-Piratenschiff die viel gelobte und -geliebte „humanitäre Schweiz“ auf: „Red Cross Over“ ist das Kernstück des 4. Kapitels, eines historisch-theatralisch-musikalischen „Lehrganges“, entwickelt und inszeniert von der Zürcher Theatergruppe „Mass & Fieber“. Er wird für Furore sorgen – aber nicht nur. Manchen dürfte das Stück als das Schlachten von heiligen Kühen in die Knochen fahren – Brecht lässt grüssen…
Regine Elsener, Bieler Tagblatt, 26.07.2002
Croisés humanitaires passés à la moulinette de l’arteplage mobile
La répétition générale de „Red Cross Over, avant-hier soir sur le lac de Neuchâtel, a surtout permis de découvrir une pièce engagée, obligeant le spectateur à s’interroger sur la neutralité suisse et l’héritage laissé par Henri Dunant… Même sie le vent qui fouette le visage des spectateurs et des acteurs donne un air de croisière à la soirée, le ton est donnée… Entrecoupé de chansons pleines d’entrain et d’humour composées et interprétées par trois talentueux musiciens permettant aux spectateurs de reprendre leur souffle, chaque volet traite uns thématique précise, allant de la naissance du syndrome de Stockholm lors de la prise d’otages de l’ambassade du Japon au Pérou, au recrutement des délégués du CICR, en passant par une évocation fantomatique d’Henri Dunant et la macabre visite des sept chambres d’un hôpital où les droits de l’homme sont systématiquement violés. Les deux auteurs du texte, Brigitte et Niklaus Helbling, frappent juste et les interrogations fusent. D’autant plus que leur texte est magnifiquement servi par des acteurs enthousiastes qui réussissent parfaitement l’exercice d’interpréter un spectacle en allemand et en français, émaillé d’un peu d’anglais. Des sous-titrages sur deux écrans permettent encore aux Romands de percevoir les subtilité de certaines interventions ou des textes de chansons. Un effort à relever, puisqu’aucune traduction en langue de Goethe ne vient aider le public germanophone. „Red Cross Over“ tient donc parfaitement son pari d’interpeller le spectateur, en imbriquant plusieurs visions très évocatrices et très lucides de l’actuelle situation de la Suisse face au monde…
Thierry Bédat, Le Quotidien Jurassien, 26.07.2002
Le réflexe blanc et rouge de l’humanitaire
Le plus important spectacle conçu par l’AMJ, en collaboration avec le groupe de Zürich Mass & Fieber, est une pièce didactique, mais surtout engagée. En sept volets où se mêlent parties musicales et théatrales, „Red Cross Over“ éclaire les aspects de la Suisse, du monde humanitaire et de la neutralitè…
Raphaël Ebinger, La Presse Nord Vaudoise, 26.07.2002
Brecht & Rot
… Soeben forderte Martin Heller die Eidgenossen in einem pathetischen Appell auf, nicht so hemmungslos der subventionierten Spaßkultur zu frönen, sondern sich doch bitte auch inhaltlich mit der Expo auseinanderzusetzen. Für etwas Substanz und Kritik soll jetzt das Rahmenprogramm sorgen. Zu seinen Höhepunkten gehört die Produktion „Red Cross Over“ von Niklaus Helblings Kulttruppe Mass & Fieber… Das politische Festspiel wolle er erneuern, erklärt Helbling, und ein „ebenso ludisches wie therapeutisches Theater“ in der Nachfolge Brechts betreiben. Üppig läßt er die eidgenössischen Neurosen blühen… Zum Lied über die Schlacht von Sempach, in dem von heißem Blutdampf die Rede ist, fliegen die Torten. Von ihnen bleiben zumindest die Zuschauer verschont. Sie haben sich längst in die wärmenden Wolldecken gehüllt. Die engangierten Darsteller der herrlichen frivolen Rot-Kreuz-Farce demonstrieren ihre Abkehr vom eidgenössischen Sonderweg mit einem kühnen Sprung in die Tiefen des Sees. Für den verdienten Applaus kehrten sie in Bademänteln auf die Brücke und Bühne zurück.
Jürg Altwegg, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.07.2002
Die neutrale Kotztüte
Wochenlang schon tuckert das Piratenschiff kreuz und quer über den Neuenburger See, ohne dass eine Arteplage geentert oder ein Irisboot zum Kentern gebracht worden wäre. Die Arteplage Mobile du Jura (AMJ) hat ihre Drohung bisher nicht wahr gemacht, provokative Salven auf die Kuschelexpo.02 abzufeuern. Höchste Zeit also, dass der bewaffnete Arm der vom Bund verordneten (Be)sinnlichkeit Wellen wirft. Mit dem Theaterstück „Red Cross Over“ stehen die Zeichen auf Sturm. Unter der Flagge des „politischen Theaters“ Sticht die berüchtigte Theatertruppe Mass &Fieber in See, mit Frontakurs auf die Schweiz und ihren Mythos der neutralen Unschuld…
Christian Hubschmid, SonntagsZeitung, 28.07.2002
Fesche Matrosen als Kulturpiraten
Das Martyrium und der Krieg, die Schweiz, das Rote Kreuz: Im Theaterstück „Red Cross Over“, das als Kreuzfahrt auf dem Piratenschiff der Arteplage Mobile du Jura präsentiert wird, spielt das alles eine Rolle. Die Assoziationserreger der Gruppe Mass & Fieber, Brigitte Helbling (Text) und Niklaus Helbling (Text und Regie), lieben das wilde Denken, das fliessende Ähnlichkeiten ausfindig macht, wo andere feste Unterschiede vermuten. Sie lieben das wilde Spiel, das die Zuschauer lieber überfallt, als sie zur feinen Bühnenillusion zu verführen. Und sie lieben die populäre Musik. Sibylle Aeberli, Martin Gantenbein und „Deep“-Komponist Markus Schönholzer schrieben eine Revue zwischen Latin, Soul, Rock, Psalm und allem dazwischen – für die Aufführung sorgen sie live als Kapitäne gleich selbst. Nennen wir das Ganze ein intellektuelles Musical…
Tobi Müller, Tages-Anzeiger, 29.07.2002
Im Morgenrot über Bord
„Red Cross Over“ ist ebenso sehr eine Verweigerung am Dienst für das VAterland wie am Dienst für die Mutter aller Theaterkünste: das Heldenepos.Ungebrochen indes ist „Red Cross Over“ eines: ein zärtliches Denkmal für den humanitären Junkie. Sie ist ein Nistkästchen der Behaglichkeit, die schwimmende Bühne unter freiem Himmel, die Dirk Thiele mit Thomas Rhyners Artwork (Schatzkarten, Kotztüten…) ausgestattet und die Choreographin Salome Schneebeli in einen Dancefloor umgemünzt hat. Die Bordkapelle von Sibylle Aeberli, Markus Schönholzer und Martin Gantenbein spielt hinreissend polyvalent und hat vom Sempacherlied über Musical-Coverversionen bis Latin Pop alles gleich leichthändig im Repertoire. Die Musik (gearbeitet wird punktuell auch mit Unterwasser-Mikrophonen) übernimmt die Funktion des Lichtes und krieert für die sieben Bilder je eigene akustische Räume…
Daniele Muscionico, Neue Zürcher Zeitung, 29.07.2002
Dunants Alptraum: Rot-Kreuz-Show zur Schweiz-Expo
Auf den Schlachtfeldern von Solferino wandelt der weißbärtige Geist von Henri Dunant, dem Schweizer Gründer des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes. Auf Splatter-Art kommentiert er die Kriegsverletzungen der „neutralen Piraten“ der „Seegenossenschaft“, die gleichzeitig Kreuzritter dreier Fahnen sind: Sie kämpfen im Namen des christlichen, des schweizerischen und des roten Kreuzes den bewaffneten Kampf der Neutralität fernab der Heimat…
Irene Schertenleib, Die Welt, 30.07.2002
Ist am Ende doch Schweizerland in Sicht?
Gesprochen wird deutsch, französisch, italienisch, spanisch. Aber man muss gar nicht alles verstehen. Hirstorische Realität wird in grotesken Piraten- und Kreuzritterspielen aufgelöst. Es wird viel und schön gesungen… und am Schluss springen die Protagonisten in die Fluten, überzeugt davon, dass es mit dem Sonderweg der Schweiz heute vorbei ist…
Walo von Fellenberg, Blick, 30.07.2002
Kreuzfahrt durch neutrale Gewässer
Wo sonst bekommt Bundesrat Eduard von Steigers verheerender Satz „Das Boot ist voll“ mehr Unmittelbarkeit als auf einem Schiff, an dessen Reeling ein Flüchtling hängt? Überhaupt, das Ensemble: Unter der Leitung von Mass & Fieber-Gründer Niklaus Helbling brilliert es mit einer homogenen Leistung. Mit dabei sind bekannte Mass & Fieber-Gesichter wie Fabienne Hadorn, Christopher Novák oder Martin Gantenbein. Besonders bestechend ist der irrlichterne Henri Dunant des deutschen Regisseurs Albrecht Hirche…“
Noëmi Gradwohl, Berner Zeitung, 07.08.2002
Das Lehrstück der Piraten
Ein Lehr- und Singstück über Neutralität nennt die Truppe Mass & Fieber ihre Produktion. Bei Bertolt Brecht und Kurt Weill hat sie gelernt, wie man süffig-bissige Balladen schreibt: vom „Kreuzsong“ über die „Reduitballade“ bis hin zum Abgesang auf Dunant „Poor Henry“ werden hier Ohrwürmer serviert, die dreiköpfige Band spielt von Latin bis zum Volkslied, variantenreich in Tonfall und Instrumentierung. Die Akteure auf der Bühne spielen und singen in fliegendem Wechsel… Während das Festspiel zum 1. August Aufsehen erregte mit der ironischen Erklärung, Affen wären vermutlich die besseren Schweizer, bietet die Arteplage mobile du Jura abseits der kollektiven Aufmerksamkeit wesentlich Ernsteres und Provokanteres – ein intelligentes Kontrastprogramm zur affirmativen Wohlfühl-Kultur der übrigen Expo.02.
Eva Bachmann, St. Galler Tagblatt, 07.08.2002
Ein Schiff wird kommen
Zur Höchstform läuft die Produktion auf, wenn Motivforschung betrieben wird und etwa einer der theatralen Rot-Kreuzler plötzlich ins Ohr eines tiefer sitzenden Zuschauers flüstert, warum er unbedingt zum Roten Kreuz will. Bei Greenpeace sei er rausgeflogen, da die dort irgendwann gemerkt hätten, dass er mit Walen so gar nichts am Gesslerhut habe. Schauspielerisch am überzeugendsten wird die mit Mitteln des Brecht‘schen Lehrtheaters getrimmte Neutralitäts-Revue, wenn es um den Rot-Kreuz-Pakt „mit dem Teufel des Krieges“ geht. Da pflegen angeblich neutrale Delegierte während eines Botschaftsempfangs den Smalltalk mit Waffenschiebern, die ihre blutigen Geschäfte über die Schweiz abwickeln. Die Szene zählt zu den stärksten von „Red Cross Over“. Würden deutsche Theatermacher derartiges inszenieren, könnte das leicht in Selbstzerfleischung übergehen. Bei Mass & Fieber besteht eher die Gefahr, dass man in eher seichten Comedy-Gewässern plätschert … Insgesamt allerdings zeigt die Auseinandersetzung mit dem rot-weißen Zwillinge des weiß-roten Schweizerkreuzes, zu welcher Selbstironie der angeblich humorlose Schweizer fähig ist.
Jürgen Berger, Süddeutsche Zeitung, 08.08.2002
Neutralité mise à mal
… il ne fallait pas s‘attendre à ce que la Croix-Rouge internationale, dont nous sommes fiers, ne sorte pas profondément meurtrie de la pièce „Red Cross Over“… C‘est magnifiquement interprété par une troupe germano-suisse; la mise en scène est vivante, il n‘y pas un instant de flottement pendant que la bateau navigue sous un vent glacial sur le lac. „C‘est provocant et subtil“, annonçait Tony Burgener, responsable de l‘information pour Expo.02, qui a travaillé pendant des années au service de l‘information du CICR. Nous disons, quant à nous, qu‘il s‘agit d‘une entreprise de démolition, magnifiquement montée, si belle qu‘elle n‘en est que plus dangereuse…
P.-E. Dentan, Le Nouvelliste, 10.08.2002
Sur l‘arteplage mobile du Jura, la Croix-Rouge se jette à l‘eau
.. Mass & Fieber tisse savamment un réseau d‘information: la ficiton, politiquement incorrecte, suggère plutôt qu‘elle n‘affirme. Le questionnement introspectif auquel le spectateur ne peut échapper en devient d‘autant plus fort et douloureux. En faisant appel à la musique, à l‘image, ou aux mots dans un entremêlement subtil des langues, „Red Cross Over“ s‘adresse à tous et propose, dans un final aussi adéquat qu‘inpertinent, que les croix et les banni‘res suisses se jettent enfin à l‘eau. Avec un gilet de sauvetage…
Isabelle Stucki, Le Courrier, 06.08.2002
Elf Kreuzritter in Fahrt
Im Stück wird über sieben Stationen von Krieg und Tod, von Neutralität und Schuldgefühlen geredet, gesungen, getanzt und gelacht wie auch geweint… das Theater ist eine Produktion der AMJ und wurde speziell für sie geschrieben. Da die Schauspieler erst einige Tage vor der Premiere aufs Schiff gehen konnten, mussten sie die genauen AMJ-Konditionen nachahmen und das Stück „trocken“ einüben. Dies geschah in Zürich und in einer Turnhalle in Yverdon.
at, Freiburger Nachrichten, 08.08.2002