MASS & FIEBER

Sturm in Patumbah

Eine Geisterschau des Schweizer Kolonialismus in 12 Räumen und einem Park

Sturm in Patumbah

Premiere

Premiere im Rahmen der Festspiele Zürich – 18. Juni 2015

Kurzbeschreibung

Prospero hat mit seinen Gefährten die Insel verlassen und residiert jetzt in der Villa Patumbah in Zürich Seefeld. Er ist Zauberer, Visionär und Ausbeuter, ein Schweizer Unternehmer mit Entdeckergeist. Seine Handelsfirma, Prospero Trading, hat in der Villa ihren Hauptsitz und feiert in diesem Jahr ihr 400-jähriges Jubiläum. Tochter Miranda führt inzwischen die Geschäfte, Schwiegersohn Ferdinand steht ihr als Juniorchef bei. Im Keller und im Park wohnen Ariel und Caliban, die Wesen, die Prospero untertan sind. Die Monster sind kultiviert worden – und sie werden immer mehr. Und alle wollen sie mitmischen. 

Auf fünf verschiedenen Wegen werden die Zuschauer durch Villa und Garten geführt, lernen eine koloniale Schweiz kennen, die es angeblich nie gegeben hat, erfahren, wie man als Schweizer mit transatlantischem Menschenhandel Geld verdienen kann, und entdecken in dieser Familiengeschichte, angelehnt an Shakespeares „Sturm“, eine Heimat, die sich gerne als autark begreift, tatsächlich aber intensiven und lukrativen Anteil am Welthandel vergangener Jahrhunderte hatte. Unser Wohlstand gründet auch darauf. Und wie verhält es sich mit unserer Verantwortung? Die Besucher der Villa Patumbah erwartet ein abenteuerlicher Parcours durch vergangene und gegenwärtige Welten, an dessen Ende die Frage nach der Zukunft steht.

Mit Begleitprogramm Seefeld-Rundgänge und Kolloquium im Johann Jacobs Museum

Cast & Crew

Regie: Niklaus Helbling

Mit: Fabienne Hadorn, Patrick Frey, Philippe Graber, Sebastian Krähenbühl, Markus Schönholzer und als CALIBANE/ARIELS: Johanna Dähler, Tom Kramer, Kay Kysela, Natalí Péshou, Hanna Röhrich, Max Roenneberg, Nadja Rui, Julian Schneider

Ausstattung, Video: Elke Auer, Text: Brigitte Helbling, Musik: Markus Schönholzer, Choreografie: Maria Walser, Kostüm: Judith Steinmann, Benjamin Burgunder, Artwork: Thomas Rhyner, Technik: Peter Affentranger, Ton: Mike Hasler, Licht: Björn Salzer, Regieassistenz: Alma Handschin, Bühnenassistenz: Claudia Peters, Kostümhospitanz: Fränzi Hochuli, Bühnenhelfer: Valerio Rodelli, Maske: Sandra Wartenberg, Fotografie: Raphael Hadad, wissenschaftliche Beratung: Andreas Zangger, Video-Dokumentation: Georg Lendorff, Produktionsleitung: Katharina Wiss.

Spieldaten

19., 20., 21., 25., 26., 27., 28. Juni, 1., 2., 3., 5. Juli 2015

Gefördert durch

Stadt Zürich Kultur, Kanton Zürich Fachstelle Kultur, Pro Helvetia, Ernst Göhner Stiftung, Alexis Victor Thalberg Stiftung, Georg und Bertha Schwyzer-Winiker Stiftung, Migros Kulturprozent, Fondation Suisa

Textrechte

Brigitte Helbling / Mass & Fieber

Pressestimmen

Was Prospero anfing, nachdem er die Insel verlassen hatte
Schöner Vorbericht in der Neuen Zürcher Zeitung von Andreas Kläui!

Tausendundeine Doppelbödigkeit
„Mass & Fieber erzählt ein atmosphärisches, modernes Märchen mit einer Nachtseite und historischen Wahrheiten. Die Villa Patumbah, ein eklektizistisches Gesamtkunstwerk, ist hier mehr als Kulisse, sie wird zum Leben erweckt.“
Katja Baigger, Neue Zürcher Zeitung

Die DNA des Schweizer Wohlstands
„Gekonnt segelt „Sturm in Patumbah“ auf Kurs zwischen Lehrstück, Trash und kolonialer Komödie … eine logistische und dramaturgische Meisterleistung.“
Kaa Linder, nachtkritik.de

„Die von Niklaus Helbling inszenierte und Brigitte Helbling getextete Tour durch die Villa Patumbah ist an sich schon so bezaubernd, dass die durchaus seriös aufgearbeitete Problematik fast – fast – untergeht zwischen all den Ahs über die architektonischen Exotismen, den ­Yeahs bei den flockigen Mitsing-Minuten und den Bravos fürs Musical-muntere Spiel, das keine besser beherrscht als Fabienne Hadorn in der Rolle von Prosperos Tochter Miranda, die, in ständig wechselnder Gala-Garderobe, zwischen Selbstkritik und Selbstverteidigung hin und her laviert.“
Alexandra Kedves, Tages Anzeiger

Firmenfilm

Dokumentation von Georg Lendorff (1. Teil)

2. Teil Dokumentation: https://vimeo.com/242598580
3. Teil Dokumentation: https://vimeo.com/242606409
4. Teil Dokumentation: https://vimeo.com/242609596

Beiprogramm

Kolloquium zur Schweiz und Kolonialismus

VORBEMERKUNG: Die Recherchen zu STURM IN PATUMBAH haben uns einer reichhaltigen, regen, interdisziplinären akademischen Forschung nähergebracht, die nicht nur der Frage nach der Verstrickung der Schweiz und von Schweizern im Kolonialismus, im Sklavenhandel, und innerhalb der Koordinaten einer postkolonialen Welt nachgeht, sondern unseren Blick auf ein erweitertes Zusammenspiel von Damals und Heute erweitert hat. Das Kolloquium folgt einerseits dem Wunsch, den Zuschauern eine Vertiefung unserer Themen zu bieten, und anderseits unserem eigenen Verlangen, einige relevanten Forscher im Austausch zu erleben und mehr von einem dynamischen Wissensfeld zu erfahren.

„Wir sind nicht betroffen“ – die Schweiz und der Kolonialismus

Kolloquium zu STURM IN PATUMBAH
Kuratiert von
Dr. Andreas Zangger
(Autor „Koloniale Schweiz“)

mit
Dr. Lea Haller (Universität Genf)
Dr. Rohit Jain (Universität Zürich)

Findet statt am Juli 2015 im Johann Jacobs Museum, 14h bis 17h, Eintritt frei

Provokativ nennt Frantz Fanon Europa eine Produkt der Kolonien. Der Expansionsdrang, der mit der Zeit der Entdecker in der Renaissance begann, prägt bis heute unseren Kontinent, und ganz besonders die global vernetzte Schweizer Wirtschaft. Doch wovon reden wir eigentlich, wenn wir von „der Schweiz“ reden?

Andreas Zangger (Dr. phil, Historiker, Amsterdam) spricht mit Lea Haller (Dr. phil, Historikerin, ETH Zürich) und Rohit Jain (Dr. des, Kulturwissenschaftler, Uni Neuchâtel) über Brüche, die sich im Geschichtsbild abzeichnen. Die Welt wird globaler und die Schweiz spielt schon seit langem ihre Rolle in diesem Prozess. Lea Haller zeigt, wie Handelshäuser in der Schweiz zu Ingenieuren der Globalisierung wurden und warum wir in der Schweiz eigentlich schon lange nicht mehr von einer Nationalökonomie sprechen sollten. Rohit Jain zeigt, dass die Schweiz schon lange ein Einwanderungsland ist, aber eines in dem sich der Abwehrreflex gegen aussen besonders hartnäckig hält. Davor gibt Andreas Zangger einen Überblick zur historischen Forschung zum Thema Schweiz und Kolonialismus.

Rundgang „Tour de Monde“ durch das Seefeldquartier

Ein historischer Rundgang durch die koloniale Schweiz

Die Villen und Gärten des Zürcher Seefeldquartiers stehen als Zeugen des Unternehmensdrangs der Schweizer Wirtschaft im 19. Jahrhundert.: Hier bauten die „Überseer“ ihre Häuser, hier finden sich die Spuren einer weltweiten Vernetzung, die bis heute Früchte trägt. Die Schweiz hatte keine Kolonien, aber in den Kolonien gelangten auch Zürcher Wirtschaftsfamilien mit Handelshäusern und Plantagen zu Reichtum. Das Seefeld kann so als Schaltzentrale eines „heimlichen Imperiums“ gesehen werden. Der Rundgang von Andreas Zangger erweitert den Blick auf die Welt – und auf die eigene Stadt.

Findet statt am 20. Juni 15:00 und 30. Juni 2015 18:30. Tickets 10 Franken.

ANMERKUNG: Die beiden Touren im Juni sind bereits ausgebucht. Weitere Touren sind im Spätsommer geplant. Informationen dazu finden Sie ab Mitte Juli auf www.heimatschutzzentrum.ch.

Villa Patumbah und der Heimatschutz

Die Villa Patumbah aus dem Jahre 1885 ist ein Meisterwerk des Historismus. Mit seinem prachtvollen Park gehört es zu den wichtigsten Villenanlagen des ausgehenden 19. Jh. in der Stadt Zürich.

Die Architekten Alfred Chiodera und Theophil Tschudy kombinierten Stilelemente der Gotik, der Renaissance und des Rokoko sowie fernöstlich inspirierte Motive zu einem harmonischen Ganzen. Eine prunkvolle Villa mit Parkanlage war damals ein beliebtes Mittel der Selbstdarstellung vermögender Fabrik- oder Handelsherren, und so ließ auch der Bauherr der Villa Patumbah, Carl Fürchtegott Grob, seinen Erfolg als Tabakpflanzer in Sumatra für alle sichtbar in Stein meisseln.

Der Schweizer Heimatschutz mietet die Villa Patumbah von der Stiftung Patumbah. Er betreibt darin im Erdgeschoss und im Gartengeschoss das Heimatschutzzentrum mit Ausstellungen und Veranstaltungen rund um das Thema Baukultur.